Dritte Museumsattraktion in Wehmingen: das Fernmeldemuseum öffnet nun auch für alle Besucher
Als sich die etwa 80 Mitglieder des Hannoverschen Fernmeldeclubs im Jahre 2011 entschlossen, ihre bereits zum damaligen Zeitpunkt sehr umfangreiche Sammlung historischer fernmeldetechnischer Geräte dauerhaft der Öffentlichkeit zu präsentieren, ahnten sie wohl noch nicht, was ein solches Vorhaben bedeutet.
Anspruch an eine Ausstellung
Über Lagerräume und Werkstätten verfügte der Verein bereits seit seiner Gründung im Jahr 1995. Hannover war schon immer ein wichtiger Knotenpunkt deutscher Fernmeldetechnik gewesen und damit als Standort geradezu prädestiniert. So weit, so gut – aber anstatt einer besseren Bastelwerkstatt sollte es nun ein technisches Museum werden, der Thematik angemessen und zugänglich für alle Menschen. Dies betrifft interessierte Laien ebenso, wie Besucherinnen und Besucher mit dem hohen Anspruch an eine Lehrschau. Sie durfte daher nicht nur eine weitgehend konzeptlose Ansammlung von Telefonapparaten sein, sondern musste über die Historie der gesamten Fernmeldetechnik möglichst umfangreich Auskunft geben können. Allein diese Ziele konnten nicht in beengten Räumlichkeiten verwirklicht werden.
Heimat und Erfahrung in Wehmingen
Die große Zahl der schon um das Jahr 2010 vorhandenen Sammlungsstücke, sowie der angestrebte regelmäßige Zugang für die Öffentlichkeit, ließen andere Museen, die man in Hannover anfragte, bereits nach kurzer Bedenkzeit ablehnen. So war es eine glückliche Fügung, dass das Hannoversche Straßenbahn-Museum (HSM) in Wehmingen nicht nur über die benötigte Fläche von mehr als 1.200 Quadratmeter verfügte, sondern auch den Mut und die Erfahrung mitbrachte, zusammen mit dem Fernmeldeclub die hohen und kostspieligen Hürden zu meistern, die die Einrichtung eines Museums dieser Größenordnung zwangsläufig mit sich bringt.
Der Umzug der Sammlung aus einer Lagerhalle im Herzen von Hannover war relativ schnell abgeschlossen. Nach dem Umzug im Jahr 2012 folgten aber noch knapp zehn Jahre reger Bau- und weiterer Sammlungstätigkeit. Dass es im Verein auch Mitglieder mit Erfahrung im bautechnischen Bereich gibt, sollte sich nun auszahlen. Fertig ist man zwar noch nicht, aber das bis heute Erreichte kann sich bereits sehen lassen; folglich können die Besucher kommen.
Betriebserfahrung im April gesammelt
Nach einem Test im April gabe es von der Öffentlichkeit nahezu unbemerkt am 3. Juli 2022 die erste offizielle Öffnung der Ausstellung. Die Stadt Sehnde – und mit ihr Stadt und Region Hannover – verfügt nun neben dem Straßenbahn-Museum über ein weiteres technisches Museum hohen Ranges. Immerhin ist es die wohl umfangreichste Einrichtung ihrer Art in Deutschland, die nicht direkt der Telekom untersteht. Im Vergleich mit den anderen knapp 20 größten hierzulande privat betriebenen fernmeldetechnischen Museen ist die mehr als 600 Quadratmeter messende Ausstellungshalle besonders großzügig ausgelegt.
Hier findet Fernmeldetechnik ihren Platz, die bis in die Jahre um 1995 aktueller Stand der Technik war. Museumsdidaktisch aufbereitet, ist sie in die Fachgebiete Telegrafie-Geschichte, Linientechnik (das ist die Verbindungstechnik bis zum Endkunden), Vermittlungstechnik, Entstör-Technik, Richtfunktechnik sowie Teilnehmer-Endgeräte aufgeteilt. Ein Großteil der ausgestellten Telefonapparate kann bedient und die komplexen Funktionen bestaunt werden, die sich beispielweise im Fernmeldeamt nach dem einfachen Wählen einer Rufnummer ergeben. So wird alte Technik auch für junge Menschen interessant. Moderne Digitaltechnik besteht hingegen weitgehend aus Steckkarten und arbeitet unsichtbar, bestenfalls blinken ein paar Leuchtdioden.
Funktechnik kommt noch dazu
Die Zukunft verspricht aber noch mehr. Vor allem in der Richtfunktechnik sowie im Bereich des Betriebs- und Amateurfunks kommen in den nächsten Jahren viele interessante Exponate hinzu. Der Fernmeldeclub hat sie bereits im Fundus und es gibt sicher ausreichend Platz, sie gut in Szene zu setzen. Besonderes Highlight der Dauerausstellung ist der nahezu perfekt hergestellte und funktionierende Nachbau eines hierzulande nur in fünf Exemplaren vorhandenen „Gauß-Weber-Telegrafen“ von 1833. Auch die sehr seltenen Nachbauten der ersten kommerziell genutzten Telefone von Philipp Reis sowie Alexander Graham Bell, deren Originale in den Jahren um 1870 entstanden, kann man hier sehen.
Bei der Vermittlungstechnik ist besonders eine aus mehreren Epochen stammende und funktionsfähig zusammengeschaltete große Ortsvermittlung zu nennen. Deren älteste Baugruppen stammen aus den frühen 1920er Jahren und funktionieren im heutigen Ausstellungsbetrieb noch immer – dank der staubgeschützten Präsentation hinter Glas und der liebevollen Wartungsarbeiten der Vereinsmitglieder.
Rarität aus Uetze zu sehen
Während Großvermittlungsstellen mit ihren laut ratternden Hub-Drehwählern für den Laien eher den Eindruck der Unübersichtlichkeit vermitteln, geht es auch überschaubarer, vor allem aber leiser. Die letzte Handvermittlungskonsole Deutschlands, die in Uetze erst im April 1966 durch eine automatische Ortsvermittlung ersetzt wurde, ist hier im Original zu sehen. Das letzte „Fräulein vom Amt“ hatte noch das gesamte Uetzer Ortsnetz – mit seinerzeit 374 Teilnehmern – über diesen Schrank vermittelt. Die Präsentation moderner Digitaltechnik und Smartphones geschieht hingegen, wenn überhaupt, nur am Rande. Über die ersten noch recht sperrigen Mobiltelefone soll der lange Weg dorthin jedoch für alle anschaulich gemacht werden.
Riesiger Fundus des Museums
Viele Tausend weiterer Exponate und unzählige Ersatzteile finden sich auf mehreren hundert Regalmetern im riesigen Fundus, der noch einmal mit rund 600 Quadratmetern Fläche aufwartet. Museumsintern gibt es eine recht umfangreiche Fachbibliothek, ein kleines Kino sowie einige Sozialräume. Auch die Werkstätten sind hier untergebracht, denn alle gezeigten Gerätschaften werden funktionsfähig und optisch ansprechend hergerichtet, sodass die Besucher alles auch im Betrieb bestaunen können. Die Museumsmitarbeiter verfügen zum großen Teil über jahrzehntelange Erfahrung auf den Gebieten der Fernmelde- oder der elektronischen Nachrichtentechnik.
„Anreise“ mit der Straßenbahn
Die Öffnungszeiten sind mit denen des Straßenbahn-Museums abgestimmt. So wird auch die Fernmeldeausstellung von Anfang April bis Ende Oktober an allen Sonn- und Feiertagen zwischen 11 und 17 Uhr zu sehen sein. Danach gehen beide Museen in eine mehrmonatige Winterpause. Neben dem Eintrittspreis für das Straßenbahn-Museum ist ein zusätzlicher Betrag von 2 Euro für Erwachsene sowie ein Euro für Kinder zu entrichten. Er kann wahlweise schon beim Betreten des Museumsgeländes oder erst später, am Eingang des Fernmeldemuseums, gezahlt werden.
Die Anfahrt erfolgt auf dem Museumsgelände mit einer der historischen Straßenbahnen des regelmäßig bedienten Rundkurses. Der Ausstieg bei der Haltestelle „Hohenfels-Süd“ wird vom Schaffner angekündigt. Die Zeit für die Rückfahrt kann frei gewählt werden. An Plänen für die etwa einstündige Museumsführung wird derzeit gearbeitet.
Schon jetzt werden aber immer einige Museumsmitarbeiter vor Ort sein, um die aufkommenden Fragen kompetent zu beantworten. Weitere Informationen gibt es auf der Vereinsseite des Fernmeldeclubs.
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