Gedenkfeier zur Reichspogromnacht in Sehnde

Gedenkfeier zur Reichspogromnacht in Sehnde
Rund 80 Besucher begrüßte der Sehnder Bürgermeister Olaf Kruse (v.li.) - Foto: JPH

Erneut waren die Sehnder eingeladen, sich an der Gedenkfeier zur Reichspogromnacht im Ratssaal des Sehnder Rathauses am Donnerstag, 09.11.2023, zu beteiligen. Musikalisch wurde diese Gedenkfeier vom Fachbereich Musisch-kulturelle Bildung der Kooperativen Gesamtschule Sehnde begleitet. Die Lehrkräfte Thiemo Fröhlich (Bassgitarre), Martin Häusler (Klarinette), Dirk Hoffmann (Gitarre und Cajon) und Micha Philippi (Gitarre) spielten „The Blessing Nigun“ von J. Sperling, „Bublitschky“ (ein Lied aus Russland, Komponist unbekannt) und „Freylach“, ein jüdisches Volkslied.

Zum Gedenken aufgerufen

„Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist“, dieser Satz stand über der diesjährigen Gedenkfeier in Sehnde, die von der Gruppe „Stolpersteine“ um Dr. Regina Runge-Beneke organisiert war. Rund 80 Besucher waren ihrer Einladung gefolgt und nahmen an der Veranstaltung teil, in der die Autor Elfriede Brumsack auch ihr Buch „Der Unbeugsame“ vorstellte. Bereits am Morgen war der Gedenktag durch Schüler der 4. Klassen der Grundschule Breite Straße eingeleitet worden, die die Stolpersteine in der Mittelstraße aufsuchten und im Foyer vor dem Ratssaal unter der Gedenktafel Rosen ablegten.

Der Sehnder Bürgermeister Olaf Kruse begrüßte die Besucher, darunter die Familie Brumsack und Vertreter der Politik in Sehnde und bat zu einer einleitenden Schweigeminute, die allen Opfern der aktuellen Massaker und Kriege gewidmet war. In seiner folgende Rede betonte das Stadtoberhaupt, dass alle Menschen gleich und wertvoll seien. „Egal welche Herkunft, Religion oder Nationalität. Hass und Gewalt sind in diesen schweren Zeiten das Allerletzte, was wir brauchen“, so leitete er in die Thematik ein – und fügte hinzu, dass es elf Jahre dauern würde, wenn man für jedes Opfer der Vernichtungspolitik der Nazis  eine solche Schweigeminute einlegen würde.

Musikalisch wurde die Feier umrahmt vom Fachbereich Musisch-kulturelle Bildung der Kooperativen Gesamtschule Sehnde – Foto: JPH

Und er schlug auch den Bogen zu den aktuellen Ereignissen im Osten Europas und dem Nahen Osten im Gaza-Streifen und der Hamas. Schrecklich genug, so das Fazit, dass man den einen Krieg schon wieder durch den anderen verdränge. Trotzdem seien beide Kriege auch ein Angriff auf die Demokratie, sowohl der Russland als auch der der Hamas. Die daraus resultierenden zahlreichen antisemitischen Angriffe – auch in Deutschland – seien schwer zu ertragen, zumal sie auch noch antidemokratische Gesinnung manifestierten. „Zum Glück“, so Kruse, „haben wir eine stabile Demokratie“. Aber man dürfe dabei nicht die feiernden „Fans“ der Hamas gleichsetzen mit den Palästinensern, die hier Schutz suchen und bekommen.

Auch bezüglich der Gedenkkultur zur systematischen Menschenvernichtung im Dritten Reich dürfe man sich nicht mit den Sätzen „Es muss auch mal gut sein“, „Wir müssen mal einen Schlussstrich ziehen“ oder gar „Schluss mit dem Schuldkult“ abwiegeln, sondern müsse aktiv an der Erinnerung festhalten und gegen eine Wiederholung massiv ankämpfen. „Jeder Mensch, der in diesem Land lebt, muss akzeptieren, dass hier Christen, Juden, Muslime, Ungläubige und Andersgläubige miteinander leben und keiner hat das Recht, dem anderen die Existenz abzusprechen. Es gibt kein Recht auf Hass und es geht um die Menschlichkeit und gegenseitige Toleranz“, so schloss der Bürgermeister.  

Erinnerungsarbeit der KGS

Die Arbeitsgruppe „Gedenktag“ der KGS, vertreten durch Jens Wilczek und Dirk Krüger, berichtete über die von der KGS übernommene Patenschaft für die Stolpersteine und die projektbezogene Geschichtsarbeit, die sich jedes Jahr anders darstellt. Sie stellten die Arbeit der KGS vor, die sich nach Corona neu gefunden hat. „Der Krieg im Nahen Osten macht dieses Gedenken aktueller denn je“, so die Lehrer. Auch sie betonten, dass es wichtig sei, gegen das Vergessen anzutreten und darzustellen, dass Frieden möglich sei.

Das neue Buch

Bürgermeister Olaf Kruse dankte der Autorin Elfriede Brumsack (re.) für das Buch und die Lesung daraus – Foto: JPH

Es folgte die Buchvorstellung und Lesung von Elfriede Brumsack aus ihrem im September erschienenen Buch „Der Unbeugsame – ein Leben zwischen Verfolgung und „Wiedergutmachung“. Brumsack, Schwiegertochter des Protagonisten in ihrem Buch von Julius Brumsack, war erneut mit Ihrem Ehemann Professor Dr. Hans-Jürgen Brumsack, aus Oldenburg angereist und freute sich, die erste Lesung als Premiere im Heimatort ihres Schwiegervaters halten zu können. Dafür hatte sie neben dem Prolog drei Kapitel ausgewählt, die sich in Sehnde abspielten. Es war eine lebendige und betroffen machende Darstellung der Geschehnisse in Sehnde, sowohl um die Zeit der Reichspogromnacht, die man damals verherrlichend „Kristallnacht“ nannte, als auch in der Nachkriegszeit.  

Mit einer Gesprächsrunde zum Buch und den dargestellten Vorgängen endete die Veranstaltung dann mit kleineren Runden bei einem Imbiss im Ratssaal. Die Ausstellung „Opfer des Nationalsozialismus in Sehnde“ steht noch bis zum 20.11.2023 im Foyer des Ratssaales und kann zu den Öffnungszeiten der Energieversorgung Sehnde besucht werden.

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