Demokratie in Gefahr – spannender Vortrag des Verfassungsschutzes
Zur Veranstaltung „Demokratie in Gefahr“ mit Frank Ziemann vom niedersächsischen Verfassungsschutz hatte als Veranstalter die SPD Sehnde ins Apart Hotel an der Peiner Straße eingeladen. Rund 40 Gäste waren der Einladung gefolgt und erlebten einen spannenden, informativen, aber auch verstörenden Abend.
Der Ablauf lag in den Händen von Jörg-Peter Hellerling vom Online Portal „Sehnde-News“ als parteineutralem Moderator. Er eröffnete die Veranstaltung „Demokratie in Gefahr“ mit der Begrüßung der anwesenden Gäste, darunter die Erste Stadträtin Anne Günther, die stellvertretende Bürgermeisterin Gisela Neuse, der Regionsabgeordnete Wolfgang Toboldt und die Pastorin Damaris Frehrking. Nach der Vorstellung von Frank Ziemann und seiner beruflichen Vita beim niedersächsischen Verfassungsschutz ging er in der Eröffnung auf verschiedene Studien ein, dass zum Beispiel 81 Prozent aller Jugendlichen laut Shell Studie Angst vor einem Krieg in Europa haben, wobei nur 67 Prozent angaben, dass die wirtschaftliche Situation sowie die Angst vor Armut sie umtreiben. Die demokratisch geführten Staaten sind weltweit nicht mehr in der Mehrheit – Autokratien und diktatorisch geführte Staaten sind auf dem Vormarsch – auch in Europa. Hellerling wies in diesem Zusammenhang noch auf die „Neue Weltordnung“ hin, mit der sich China, Russland und der Iran laut BND intensiv beschäftigen und leitet mit der Fragestellung ans Auditorium „Sind wir zu naiv?“ und „Sind wir gar nicht mehr wehrhaft?“ zu Frank Ziemann und seinem Vortrag „Demokratie in Gefahr“ über.
Die Sicherheitsorgane in Deutschland
Frank Ziemann startet seinen Vortrag mit einem Einblick in die Organisation der Sicherheitsorgane. Erstes Topic ist die Frage „Wie kommt es zu einer sogenannten Desorientierung – warum positionieren sich Menschen außerhalb der demokratischen Grundordnung?“. Starke Gründe sind unter anderem im jungen Alter zu finden – fehlende Anerkennung und Perspektivlosigkeit – eine vermeintliche Außenseiterrolle wird zum Angelhaken der Radikalen. Ein aufkommendes Phänomen ist, dass durch das Tragen bestimmter Kleidungstücke, wie beispielsweise der Marke New Balance,- abgekürzt NB – was in bestimmten Gruppen als Erkennungszeichen „Nazi Bande“ eingestuft wird, ein „wir gehören zusammen“ Gefühl entsteht, was durch die gesellschaftliche Betrachtung in keiner Weise als bedrohlich betrachtet oder eingestuft wird.
Der Gegner wird zur „Sache“
Radikalisierung, sei es von Links oder Rechts, so Ziemann, beinhaltet grundsätzlich eine sogenannte „Entmenschlichung“ des „Gegners“ zu einer „entbehrlichen Sache“– eine Basis, die schon die Nationalsozialisten in den dreißiger Jahren verstärkt eingesetzt haben und die jetzt wieder ein Platz in der deutschen Gesellschaft gefunden hat. Das ist eine Basis der Radikalisierten, um ihren Terror zu legitimieren – Ziemann nennt unter anderem das Beispiel des Islamismus, der alle anders Gläubigen als „Kuffar“ – die Ungläubigen benennt. Worunter auch die nicht am „heiligen Krieg“ teilnehmenden Moslems subsummiert werden. Auf der anderen Seite gab es den NSU 2.0, der, von den Sicherheitsbehörden jahrelang unbehelligt, Morde an Menschen mit Migrationshintergrund verübt hat. Frei nach dem Motto – Du bist kein Mensch – Du bist ein Jude oder Ausländer.
Gruppendynamik steuert
Die Radikalisierung, so Ziemann, bedient sich bei Demonstrationen auch gerne der Gruppendynamik – man ist dabei, also macht man mit –, wenn es um Gewalt gegen Polizei, Feuerwehr oder Sanitäter geht. Sie repräsentieren den Staat und sind somit „legitime“ Gegner der vermeintlichen „bürgerlichen Gegenwehr“. Die Gewalt geht aus der Sicht dieser Gruppierung immer vom Staat aus – radikalisierte Gruppen sehen sich dagegen in der „Opferrolle“. Ziemann erwähnte in diesem Zusammenhang, dass es auch Schnittmengen bei der Radikalisierung im Zusammenhang mit Antisemitismus bei „Linken“ und „Rechten“ gibt.
Kampf im Internet
Im Islamismus ist Antisemitismus Top 1 – die Ablehnung des Staates Israel ist Programm. Gepuscht werden von den extremen Parteien und radikalisierten Gruppen auch Internet-Auftritte zum Thema. Aufrufe zu Gewalt, programmiertem Fremdenhass und diktatorischer „Staatsreform“ – bis hin zur Anleitung von gezielten Tötungsdelikten – befinden sich im Medien-Repertoire der Radikalen. Diese Medienpräsenz radikaler Gruppen, sei es auf TikTok, X – früher bekannt als Twitter -, Telegram Messenger oder Facebook, ist massiv höher als der Social Media Auftritt demokratisch orientierter Gruppierungen und Parteien.
Politisches Umfeld muss gestaltet werden
Grundsätzlich lässt sich feststellen, dass sich durch ein wirtschaftlich schwaches Umfeld, zum Beispiel hohe Jugendarbeitslosigkeit, oder der erzeugten Angst, abgehängt zu werden, ein Umfeld zur Radikalisierung herstellen lässt. In seinem Schlussappell mahnte Ziemann zur Wachsamkeit und der öffentlichen Auseinandersetzung mit radikalisierten Aktionen und Meinungen – nur der Diskurs und das damit einhergehende „politische Wiedereinfangen“ können nach seiner Ansicht eine Ausweitung von Radikalisierung eindämmen.
In der anschließenden Diskussionsrunde gab es zahlreiche Fragen zum Erkennen und Reagieren auf Radikalismus, Demokratiefeindlichkeit und nach politischen Möglichkeiten, auf radikale Strömungen und Parteien zu antworten. Nach einer regen Diskussion gingen die meisten Besucher nachdenklich und aufgewühlt nach Hause.
Frank Larisch/JPH
Neufreischaltung
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