Anwohnerversammlung zur Strabs in Sehnde – Abschaffung ist Konsens

Anwohnerversammlung zur Strabs in Sehnde – Abschaffung ist Konsens
Mit über 100 Personen und allen politischen Vertretern aus Stadt- und Ortsrat sowie dem Bürgermeister war die Veranstaltung gut besucht - Foto: JPH

Zu einer neuen Anwohnerversammlung trafen sich die Anlieger der Bergstraße, Gartenstraße und Nelkenstraße sowie der Straßen Wiesenstraße, Heckenweg und Rosenstraße in Sehnde auf Einladung von Andreas Plate. Das Treffen war das zweite zum Thema der Anliegerbeiträge bei Straßenbaumaßnahmen in Sehnde. Im Unterschied zum ersten Treffen waren dieses Mal jedoch alle Parteien und der Bürgermeister als Leiter der Stadtverwaltung vertreten. Die Versammlung verlief, wie vom Versammlungsleiter gewünscht, sachlich und ohne große Polemik.

Insgesamt kamen über 100 Anwohner zusammen. Bürgermeister Kruse war anwesend und auch Sprecher aller im Stadtrat vertretenen Parteien folgten der Einladung sowie auch Vertreter des Ortsrates. Es ging dabei um die Umlegung der Kosten für die Straßensanierung, die laut Sehnder Strabs 65 Prozent auf Anlieger weitergeben werden dürfen. Erstmals 1893, mit Erlass des Preußischen Kommunalabgabengesetzes, wurden die Kosten für Herstellung und Unterhaltung von den Grundeigentümern und Gewerbetreibenden, denen hieraus ein wirtschaftlicher Vorteil erwachsen ist, als Beiträge zu den Kosten der öffentlichen Einrichtung (Veranstaltung) erhoben.

Geplant sind seitens der Stadtverwaltung und der Stadtwerke umfangreiche Baumaßnahmen in der Nelken-, Garten- und Bergstraße mit Grundsanierung der Straßen und der Erneuerung der Kanalisation. Da die Bewohner sowohl die Arbeiten in der Rosenstraße mit den Unstimmigkeiten aufmerksam verfolgen als auch die finanziellen Belastungen durch die so zu erwartenden Straßenausbaubeiträge (Strabs) und die zusätzlich der Kosten, die auf dem eigenen Grundstück für die Modernisierung der Kanalisation entstehen mit Sorge betrachten, wollen sie von den Verantwortlichen in Politik und Verwaltung Antworten auf ihre dringenden Fragen bekommen.

Die Lage der Eigentümer

Für die Einleitung in das Thema hatte die Organisatoren sowohl Anwohner der Rosenstraße als auch den Landesgeschäftsführer des Verbandes Wohneigentum, Tibor Herczeg, eingeladen. Mit einem grundsätzlichen Vortrag führte Herczeg dann ins Thema ein. Er verwies auf die vielfältigen Kosten, die auf die Anlieger und Hausbesitzer zukämen. Dabei sei es nicht nur die Bezahlung der Anliegerkosten nach der Strabs, die im Übrigen in 50 Prozent der Gemeinden Niedersachsens bereits abgeschafft sei, sondern betonte auch die Investitionen, die die Hausbesitzer durch die Wärmepumpen, Solaranlagen und mehr mit Blick auf die bis 2040 zu erreichende Klimaneutralität der Häuser zukämen – und die nicht auf eventuelle Mieter umlegbar sind.

Tibor Herczeg (steh.li.) sprach zunächst über die Grundlagen von Strabs, weitere Hauskosten und Kredite zur Finanzierung bis 2040 – Foto: JPH

Dazu wird das Eigenheim immer noch als Alterssicherung angesehen, dass nach dem Renteneintritt die Lebenshaltungskosten tragbar machen soll – Reserven seien da meistens keine vorhanden. „Die Klimawende muss so ausgestaltet werden, dass alles finanzierbar bleibt“, so Herczeg. „Kommunen können immer Kredite aufnehmen, die Rentner aber nicht mehr bekommen. Und möglicherweise dann auch noch die Erben belasten.“ Mit alledem kämen erhebliche Kosten auf die Eigentümer zu in den nächsten Jahren. Zudem, so Herczeg, ist der „wirtschaftliche Vorteil einer Anliegerstraße“, wegen dem die Kosten erhoben würden, sehr zu bezweifeln – denn „Sanierungen finden in alten Straßen mit alten Häusern und alten Bewohnern statt“.

Kosten der geplanten Arbeiten

Nächster Tagesordnungspunkt war ein kurzer Abriss über die zu erwartenden Arbeiten und die damit verbundenen Kosten für die Erneuerung der Kanalisation auf den Grundstücken in der Gartenstraße und der Bergstraße. Bei den Häusern dieser Straße handelt es sich um ehemalige Genossenschaftshäuser, die Häuser wurden also vor rund 95 Jahren gebaut. Besonderheit ist, dass nicht jedes Haus separat an die Abwasserleitungen angeschlossen ist, sondern ein Anschluss für jeweils drei Häuser existiert. Nach vorsichtigen Schätzungen wird für den nun zu legenden separaten Anschluss jeder Hausbesitzer allein für diese Arbeiten zwischen 12.000 und 20.000 Euro als private Kosten einplanen müssen. Ebenfalls wurde kritisiert, dass es seit Jahren kleinere Beschädigungen der Kanalisation in der Nelkenstraße gibt, die seitens der Stadtwerke nicht behoben wurden, sodass diese nun gesamt erneuert werden soll.

Die Lage in der Rosenstraße

Danach berichteten Anwohner aus der Wiesenstraße, des Heckenwegs und der Rosenstraße von ihren Erfahrungen mit den Bauarbeiten. Diese begannen vor zirka 21 Monaten und ein Ende ist noch nicht in Sicht. Seit den Arbeiten klagen die Anwohner über in die Keller eindringendes Wasser und über Höhenunterschiede zwischen Grundstücken und der Straße – alles Probleme, die es vor den Arbeiten nicht gab. Ob und wann die Arbeiten weitergehen ist derzeit nicht klar, wie Bürgermeister Kruse berichtete, denn hierzu gibt es einen Rechtsstreit mit der Baufirma.

Nach der umfangreichen Problemschilderung mit den bisherigen Sanierungserfahrungen in der Rosenstraße zeigten auch die anwesenden Ratsmitglieder sehr betroffen über die Situation mit der Sanierung. Allerdings habe er, so betonte er, von den Problemen mit den Häusern der Anlieger erstmals erfahren. Dazu bot der Bürgermeister an, sich zu einem Ortstermin mit den Betroffenen zu treffen.

Diskussion mit der Politik

Bürgermeister Olaf Kruse (re.) versuchte, alle Fragen der Anwohner zu beantworten – Foto: JPH

Im Anschluss gab es die Möglichkeit, Fragen an den Bürgermeister und die Ratsmitglieder zu stellen. Davon wurde rege Gebrauch gemacht. Neben individuelle Problemen ging es auch um die Abschaffung der Strabs als Ganzes. Dazu verwies der Bürgermeister auf die jährlichen Kosten, die sie Stadt dann anderweitig aufzubringen habe und sprach von einer Summe zwischen 750 000 Euro und einer Million.

Die Bewohner aus Berg-, Garten- und Nelkenstraße baten darum, alle Planungen für die Bauarbeiten sofort einzustellen. Vor Abschluss der Bauarbeiten in den Nachbarstraßen ergebe es keinen Sinn, weitere Baustellen zu schaffen. Auch diese Bitte hat Bürgermeister Kruse mitgenommen und eine Prüfung zugesagt.

Einhellig sprachen sich Bürgermeister und die anwesenden Politiker schließlich dafür aus, die Abschaffung der Strabs unter Findung einer Gegenfinanzierung zu betreiben. Dabei darf es aber bei der Abstimmung über den bereits vorliegenden Antrag der AfD im Stadtrat nicht zur Ablehnung aus politischen Gründen kommen, sondern da muss der Antrag zu einer einvernehmlich angepassten Regelung im Sinne der Bürger  weitergehen – zumal auch die FDP nach eigenen früheren Angaben ebenfalls einen entsprechenden Antrag im Rat einbringen wolle.

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