Kleines Fest im Großen Garten: Abschieds-Tour für Harald Böhlmann
Der „ Macher“ vom Kleinen Fest im Großen Garten gibt den Stab mehr oder weniger unfreiwillig ab an den Niederländer Casper de Vries. Aber in diesem Jahr hat „H.B.“ mit 150 Künstlerinnen und Künstlern aus 22 Ländern noch einmal eindrucksvoll die Messlatte einjustiert.
Mehr Nachfragen als Karten
Noch größer und bunter zeigt sich die Veranstaltung im 38. Jahr auf insgesamt 49 Kleinkunst-Bühnen in einem der bedeutendsten Barockgärten des Kontinents – in Herrenhausen.
Nachdem sich eine Vielzahl des „Stammpublikums“ auf der Picknickwiese zunächst an allerlei Köstlichkeiten erfreute, gab der Mann mit dem Zylinder das Startkommando zum Aufbruch an die zahlreichen verschiedenartigen Eventbühnen. Da folglich nicht alle Bühnen und Darbietungen an einem Abend zu schaffen waren, konnte eine gut abgestimmte Vorplanung für maximale Bühnenbesuche schon sehr hilfreich sein.
Das bei Publikum und Künstlern beliebte Festival ist begehrt wie eh und je. Auch im Jahr 2023 überstieg die Zahl der Bestellungen die im Vorverkauf verfügbaren Karten wieder um ein Vielfaches. Bis zum Veranstaltungsende werden wohl bis zu 100.000 Gäste die Barockgärten erobert haben.
Eine Beschreibung der besuchten Vorführungen stellt daher auch keinerlei Bewertung der einzelnen Protagonisten dar. Festzustellen war jedoch, dass der eine oder andere Künstler aus den Vorjahren natürlich auf sein treues Publikum wie eh und je zählen konnte.
Oldies und Newcomer dabei
Erstmals dabei und eine herausragende Neuentdeckung ist die Show von Ulik Robotic. Im Ambiente des historischen Gartentheaters bildet der raumgreifende Industrieroboter einen reizvollen Kontrast. Mit ihm gelingt den Artisten ein verblüffendes Zusammenspiel von Mensch und Maschine, eine herrliche Mischung aus Hochleistungsartistik und Poesie.
Viele Festgäste werden sich an die fast schon legendäre Shirlee Sunflower erinnern. In ihrem knallgelben Kostüm ist sie – inzwischen frisch geschieden – noch immer auf der Suche nach der großen Liebe. Die freche, männermordende Göre von DownUnder kennt kein Pardon, wenn sie sich die knackigsten Männer aus dem Publikum holt, um sie ihrem Test zu unterziehen.
Wesentlich mehr Eheerfahrung haben hingegen Emmi & Willnowski. Mit schrägem Humor und musikalischen Grausamkeiten entlarvt Deutschlands beliebtes Comedy-Pärchen seinen spießigen Ehealltag und die Schattenseiten der großen Liebe. Wer Emmi & Willnowski erlebt hat, kommt durch jede Krise.
Kabarett und Werner Momsen
„Der kleine Gartenfreund“ – Wolfgang Stute – findet schon seltsame Blüten. Man kann sie überall entdecken. Auf weiter Flur, im eigenen Vorgarten, im Hochbeet, am Straßenrand, in der Politik und in der Wirtschaft. Der kleine Gartenfreund entschied sich, aus eben diesen Blüten kabarettistisch-musikalischen Honig zu saugen. Ein Programm zwischen Baum und Borke, Lyrik und Polemik, zwischen weißen Rosen aus Athen und roten Zahlen aus Berlin, zwischen Dorn im Auge und Brett vorm Kopf. Seltsame Blüten: Kunstdünger für Herz und Hirn und wie gemacht für das Kleine Fest.
Künstler Detlef Wutschik mit seiner Kultfigur „Werner Momsen“ redet mit dem Publikum in seinem „Wernerunser“ über Gott und die Welt, Schicksal und Liebe sowie den Glauben an sich. Wozu haben Menschen einen Gott, aber Tiere nicht? Oder betet so’n Silberfisch vor dem Zubettgehen zu einem Dämon, dass ihn morgens keiner tottritt?
Menschen glauben an so vieles, an Ufos, Yetis, oder auch an die Zahnfee. Manches davon ist harmlos, anderes nicht. So kommt man zusammen zu Werner Momsens Messe im Großen Garten. Halleluja!
Gewitter stört Ablauf
Und zwischen den 28 Walk Acts darf einer natürlich nicht fehlen. Frans, der kleine Clown mit seiner Gurkenbanane , seit 33 Jahren inzwischen ein Festival-Maskottchen, sitzt unverhofft mitten im Weg oder neben einem Baum auf seinem Köfferchen und ist stets ein beliebtes Fotomotiv.
Am vergangenen Sonntag hat dann leider ein aufziehendes Gewitter kurz vor der letzten angesetzten Bühnen-Vorführung einen Großteil der Besucher zum vorzeitigen Aufbruch getrieben, aber trotzdem ging man zügig und ohne Hast zufrieden aus dem Großen Garten.
Joachim Otte/JPH
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