Offener Brief der BI gegen Sehnde-Ost an Stadtrat und CDU-Fraktion
In einem offenen Brief wendet sich jetzt die Bürgerinitiative (BI) an die Ratsmitglieder und die Vertreter der CDU Fraktion im Rat. Die Initiative hat bislang 1307 relevante Unterschriften aus Sehnde gesammelt. Die Initiative hat gehört, dass die Adressaten des Briefes sich bei der Engler-Gruppe um einen Informationstermin bemüht haben soll und die möglicherweise bereits am Dienstag vor Ort gewesen sein soll. Zu diesem Treffen hat die Initiative gegen die Ansiedlung von Delticom Fragen, Hinweise und Anmerkungen erstellt und auf diese Weise hofft sie, die Adressaten zu erreichen. Sie schreibt:
>>Sehr geehrte Ratsmitglieder der Stadt Sehnde,
sehr geehrte Vertreter und Vertreterinnen der CDU-Fraktion,
in Anbetracht des in Kürze stattfindenden Zusammentreffens der CDU-Fraktion mit Vertretern des Investors Engler-Gruppe, der sich zum o. g. Bauvorhaben am 23.04.2021 in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung äußerte, lassen wir Ihnen zur Kenntnis und Verwendung unsere Fragen und Gedanken zu der Veröffentlichung zukommen, die wir ebenfalls an die Presse geben werden.
Quelle: Hannoversche Allgemeine Zeitung, Online-Ausgabe v. 23-04.2021/17.40 Uhr „Investor plant in Gewerbegebiet Sehnde-Ost nur verkehrsärmere Logistik“ Gedanken und Fragen zu o. g. Artikel …
„Verkehrsärmere Logistik“ – der Laie könnte das für einen Widerspruch in sich halten. Denn die Aufgabe von Logistik umfasst neben Planung, Koordination und Kontrolle vor allem die Durchführung von Güterflüssen. Der Kern der Logistik besteht darin, Güter von A nach B zu transportieren. Kann man bei geplanten 38-40 Laderampen noch seriös von verkehrsärmerer Logistik sprechen? Wie passt das zusammen?
Müssen die BewohnerInnen und die politischen VertreterInnen der Kernstadt Sehnde und der dazugehörigen Ortsteile bei Äußerungen wie diesen aus dem Hause eines Investors nicht staunend aufblicken und sich fragen, ob sie da gerade richtig gehört haben? Schließlich hat ein Investor vor allem das Ziel, seinen eigenen Gewinn zu maximieren.
Wie ist dann die Aussage der Engler Gruppe, nur „verkehrsärmere Logistik“ in einem geplanten Hallenkomplex mit 38-40 Laderampen ansiedeln zu wollen, zu bewerten?
Zweifel sind und bleiben wohl berechtigt. Der Investor macht sich mit solchen Schilderungen nicht glaubwürdiger – im Gegenteil, wie uns in zahlreichen Gesprächen mit besorgten BürgerInnen immer wieder bestätigt wird. Ein Blick zu Amazon nach Höver reicht, um zu erahnen, was auch im Gewerbegebiet Sehnde-Ost passieren könnte. Erst am 02.01.2021 berichtete die HAZ über die Klagen der Anwohner über das höhere Verkaufsaufkommen durch Amazon als ursprünglich vom Onlineversandhändler angekündigt.
Dieses Beispiel zeigt sehr anschaulich, dass ein Logistik-Unternehmen (hier Amazon) so viel Logistik betreibt wie nötig und möglich – ganz gleich, was zuvor in Aussicht gestellt wurde.
Selbst wenn die Stadt beteuert, sich sicher zu sein, dass sich keine Amazon-ähnliche Logistik in Sehnde-Ost ansiedeln wird, hat sie keine Einflussmöglichkeit mehr, wenn der Bebauungsplan Nr. 355 Logistikkomplexe, wie derzeit geplant, zulässt und diese erst einmal errichtet sind. Laut eigener Website hat der Investor Engler Gruppe auch das bisherige Delitcom Logistikgebäude in Höver entwickelt, realisiert und vermarktet. Mittlerweile gehört es laut eigener Website der Union Investment Real Estate, die als neuer Eigentümer über die Mieter entscheiden dürfte. Wie können die BürgerInnen der Kernstadt Sehnde und der dazugehörigen Ortschaften darauf vertrauen, dass es nicht eines Tages in Sehnde ebenso sein wird? Könnten und würden die Verantwortlichen der Stadt Sehnde es verhindern, dass z. B. Amazon dort ein weiteres Verteilzentrum für die sogenannte letzte Meile errichtet? Wie verlässlich sind Absichtserklärungen, die in der Planungsphase gemacht werden, wenn das Geschäft und der Verkehr erst rollen?
Können wir all den Erfahrungen, die in unserer unmittelbaren Nähe bereits gemacht wurden und den Aussagen des Investors nicht entnehmen, dass weniger die Versprechungen der Beteiligten und die auf dem Papier vorhandenen Pläne entscheidend sind? Ist es nicht viel mehr der Bebauungsplan Nr. 355, der den Weg für die Zukunft Sehndes vorgibt? Wenn dieser Bebauungsplan Logistik an diesem Standort in einem Ausmaß von 38-40 Laderampen zulässt, können wir wohl davon ausgehen, dass die Kapazitäten irgendwann auch genutzt werden – ganz gleich von wem.
Wir betonen noch einmal ausdrücklich, dass sich die Sorge, die nun unter anderem in einer Petition Ausdruck findet, nicht gegen Delticom selbst richtet. Die Sorge begründet sich in der Entscheidung der Stadt Sehnde, ein Areal dieser Größenordnung an die HRG veräußert und damit – außer den Festlegungen im Bebauungsplan – jegliche Möglichkeit der Einflussnahme aus der Hand gegeben zu haben. Die HRG hat das Gelände an einen Investor verkauft, der erfahrungsgemäß nur sich selbst und seiner Investition dienen dürfte. Ist es nicht gerade zu naiv, anzunehmen, dass ein Investor aus Gelsenkirchen auf Rentabilität verzichten und „mit angezogener Handbremse fahren“ wird – zum Wohle der AnwohnerInnen einer weit entfernt liegenden Kleinstadt Sehnde und ihrer umliegenden Ortsteile?
[….]
Aus internen Kreisen ist zu hören, dass die Mitarbeiter von Delticom bereits darüber informiert seien, dass die Hauptverwaltung im Frühjahr 2023 umziehen werde. In der Presseinformation der Engler Immobilien Gruppe (veröffentlicht auf der Website der Stadt Sehnde „Statement BGM zu Gewerbegebiet Sehnde Ost“ vom 20.04.2021) ist zu lesen, dass der Bauantrag im Juni 2021 eingereicht werden soll. Kann man da noch von Planungen in einem frühen Stadium sprechen?
[…]
Es grüßt Sie herzlich das Petitions-Team mit
Linda Delkeskamp,
Inga Jäger,
Monika Erichsen,
Annika Schönaich<<
Der komplette Brief steht mit Quellenangabe und Zitaten hier zum Download bereit.
Die Redaktion weist darauf hin, dass der Inhalt der Leserbriefe die Ansicht der Einsender wiedergibt, die mit der Meinung der Redaktion nicht unbedingt übereinstimmt. Kürzungen behält sich die Redaktion vor.
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