AWO betreibt Flüchtlingsunterkunft für Ukrainer im Hotel Sehnder Hof
In Sicherheit zu sein – das ist das Wichtigste für die rund 50 ukrainischen Frauen und Kinder, die seit kurzem im Hotel Sehnder Hof in Sehnde untergebracht sind, der neuen Flüchtlingsunterkunft, die von der AWO Region Hannover betrieben wird. „In der Nähe unserer Stadt befindet sich das größte Atomkraftwerk der Ukraine und wir bekamen den Hinweis, dass es beschossen werden soll. Deshalb sind wir so schnell wie möglich geflohen“, sagt Ekaterina*.
Also packte die 35-Jährige das Nötigste zusammen und floh mit ihrer Familie in Richtung der polnischen Grenze. Das war Anfang März, nun sitzt sie in der ehemaligen Empfangslobby des Sehnder Hotels, das zuvor viele Messegäste beherbergte, und erzählt, wie sie versucht, sich hier einzuleben. Nebenan, im Frühstücksraum, malt und bastelt ihre Tochter mit den anderen Kindern der Unterkunft, betreut von einer AWO Mitarbeiterin. Ekaterina ist mit ihrer Tochter, Mutter und zwei Geschwistern geflohen und möchte so schnell wie möglich wieder zurück in ihre Heimat – „wenn sie wieder sicher für uns ist“.
Trotzdem arbeiten sie und die anderen Frauen daran, in dem Hotel und ihrem neuen Wohnort „anzukommen“ und sich heimisch zu fühlen. „Wir haben schon ein wenig Gemüse angepflanzt. Die erste Zucchini ist schon zu sehen“, berichtet Ekaterina, die in ihrem Heimatort auf einem Bauernhof mit großem Garten und vielen Tieren gelebt hat. Neben Zucchini haben die Ukrainerinnen Tomaten und sogar Peperoni in mehrere Blumenkästen gepflanzt, die im Hinterhof des Hotels stehen. Zuhause arbeitete sie als Köchin in einer Mensa und in Sehnde hat sie bereits in einem Restaurant in der Nähe gekocht. „Der Betreiber des Restaurants würde sie gern einstellen“, sagt Sozialarbeiterin Elena Tschertkow, die die Geflüchteten betreut.
Marina* arbeitete vor dem Krieg in einer Reifenfirma, im Einkauf und Vertrieb. „Es war ein guter Job, ich möchte nach dem Krieg wieder dort arbeiten“, sagt die 38-Jährige. Sie kommt aus dem Osten der Ukraine, die Firma ist jetzt geschlossen. Ihr Heimatort wurde von der russischen Armee bombardiert, zahlreiche Häuser getroffen. Auch den örtlichen Flughafen und andere Infrastruktur hat die Armee angegriffen und zerstört. „Es war einfach ein Schock – ich habe niemals geglaubt, dass so etwas in der heutigen Zeit nochmal passieren könnte“, sagt sie über die Invasion.
Am 20. März trat sie die Flucht mit ihren beiden Kindern an. Mit dem Bus fuhren sie zur ukrainischen Grenze, die sie dann zu Fuß überquerten, um wiederum mit dem Bus nach Berlin zu fahren. Von dort aus wurden sie ins niedersächsische Auffanglager Bramsche gebracht, dann ging es nach Hannover und später nach Sehnde. „Es ist in erster Linie schön, in Sicherheit zu sein“, sagt Marina. Sie habe sich in der Unterkunft auch schon gut eingelebt. Sie und die anderen Bewohnerinnen seien eine gute Gemeinschaft. Man unterstütze sich gegenseitig bei allem, auch bei der Betreuung der Kinder. Ihr Sohn besucht mittlerweile die KGS Sehnde. „Er fühlt sich sehr wohl und geht hier gern zur Schule“, berichtet sie. Ihre 18-jährige Tochter macht eine Ausbildung zur Krankenschwester, die sie derzeit von hier aus online fortsetzen kann.
Sie und die anderen Frauen seien sehr dankbar für die große Hilfsbereitschaft in Deutschland und vor Ort in Sehnde. „Alle sind so freundlich, wir fühlen uns sehr willkommen“, sagt Marina. Die Frauen hatten Zuhause nur das Nötigste gepackt und brachen in Winterkleidung auf. „Zuerst haben wir neue, leichte Klamotten für sie organisiert. Dabei hat uns die AWO Stöberkiste vor Ort unterstützt“, berichtet Tschertkow. Auch die Flüchtlingshilfe Sehnde habe sehr geholfen. „Es gibt hier ein tolles Netzwerk, auf das wir zurückgreifen können.“
Die Bewohnerinnen werden von 9 bis 16 Uhr von zwei Mitarbeiterinnen der AWO betreut – sie helfen ihnen bei der Anmeldung, Behördengängen, Gesundheitsversorgung, Schulanmeldungen der Kinder und allem, was man in Deutschland wissen muss, um sich hier zurechtzufinden. „Über den Krieg reden wir nicht mit ihnen – es sei denn, sie sprechen das Thema selbst an. Wir sind keine Trauma-Therapeutinnen“, berichtet Tschertkow. „Was die Frauen erlebt haben, besprechen sie unter sich.“
Im Frühstücksraum des Hotels, das über 37 Einzel- und Doppelzimmer verfügt, essen die Bewohnerinnen morgens und abends gemeinsam – dazu wird ein Büfett aufgebaut. Der Raum ist auch den ganzen Tag über Treffpunkt. Hier werden die Kinder betreut, wenn sie nicht in der Schule sind. Die Geflüchteten haben auch bereits Ausflüge in die nähere Umgebung unternommen, zum Beispiel nach Hannover. Mit ihrem ukrainischen Pass können die die öffentlichen Verkehrsmittel benutzen. „Hannover ist eine schöne Stadt“, sagt Marina. Und Sehnde gefällt ihr auch.
* aus Gründen des Schutzes der Personen wurden nur die Vornamen genannt.
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