Bürgerbeteiligung gelobt – und nun? Breite Straße wird ohne Befragung geschlossen
Offensichtlich ohne Beteiligung der Öffentlichkeit und unter einem gewissen Termindruck soll die Breite Straße in Sehnde zwischen den Straße Im Großen Freien und Kurze Straße zur Fahrradstraße werden. Und das unabhängig von ÖPNV, Schul-, Liefer- und Geschäftsverkehr und die Anfahrmöglichkeit für die beteiligten Anwohner. Dafür votierten im Ortsrat Sehnde am Donnerstag, 01.07.2021, sieben Personen der SPD- und der Grünen-Fraktion, an Gegenstimmen gab es vier.
Planung vorgestellt im Ortsrat
Eigentlich sollte alles nach dem Zwist um das Gewerbegebiet Sehnde-Ost besser werden. Man hatte versprochen, die Öffentlichkeit mehr einzubinden, wenn es um gravierende Projekte für Sehnde und die Ortsteile geht. Offensichtlich gehört aber eine neue Fahrradstraße verbunden mit der Sperrung einer Sehnder Verkehrsader nicht dazu.
Bereits seit einiger Zeit befasst sich die Stadtverwaltung und der Stadtrat mit dem Verkehrsentwicklungsplan (VEP) für Sehnde. Dazu gab es mehrere Anhörungen und Beratungen. Auf diesen VEP bezieht sich die Stadtverwaltung mit der Beschlussvorlage Nr. 2021/0975 bei der Umsetzung einer Maßnahme bezüglich der Breiten Straße in Sehnde. Die soll teilweise komplett für den Verkehr gesperrt werden – mit Ausnahme von Fahrrädern. Anstelle der Einmündung der Straße des Großen Freien mit vorhandener Verkehrsinsel sieht der Planungsvorschlag des Planungsbüros PGT Umwelt und Verkehr GmbH einen Kreisverkehr mit Abtrennung des südlichen Verlaufs der Breiten Straße vor. So entstünde eine „Teil-Fahrradstraße“ von der Billerbachstraße bis zur Achardstraße und danach von der Straße des Großen Freien bis zur Gretenberger Straße. Und von dort über die Friedrich-Ebert-Straße bis zum Kanal – allerdings ohne komplette Sperrung, aber möglicherweise mit eingeschränktem Parkraum.
Das Konzept stellte das Planungsbüro am Donnerstag in der Ortsratssitzung vor. Danach soll auf der Breiten Straße im nördlichen Bereich das Parken neu geordnet werden und nur noch auf gekennzeichneten Flächen erlaubt sein. Optional soll der ÖPNV durch den Bereich der gesperrten Breiten Straße an der Schule fahren dürfen. Vom Zuckerfabriksweg könnte dann noch die Straße Am Nordfelde zur B 443 in das Fahrradwegesystem eingebunden werden, ohne dass es dazu schon konkrete Vorschläge gibt. Auf der B 65 solltn zudem Fahrradsymbole – Neudeutsch Sharrows – aufgetragen werden.
Alternativ könne auch der Kreisverkehr entfallen und dafür eine abknickende Breite Straße in die Straße des Großen Freien von Norden in den Ast nach Osten, aus Süden in den Ast nach Westen gebaut werden – sodass keine Durchfahrt von Nord nach Süd mehr existiert.
Bürgerbeteiligung gefordert
Dem widersprach in der Sitzung die CDU und wollte die Beteiligung der anliegenden Betriebe, der Anwohner und Bürger der Stadt, denn es existiert ja, so die CDU, mit der Mittelstraße bereits ein verkehrsberuhigter, parallel geführter Weg, nutzbar für Fahrräder in beiden Richtungen von der B 65 bis zur Kurzen Straße. Die Interessen aller Sehnder sollten bei einer derartig gravierenden Planung berücksichtigt werden. „In dem abgetrennten Bereich kann zu den Anwohnern kein Lieferverkehr mehr erfolgen, die Zufahrt zu den betroffenen Grundstücken ist mindestens eingeschränkt, parken von Besuchern gar nicht mehr möglich. Der Verkehrsfluss erfolgt dann durch die Straße des Großen Freien in das dahinter liegende Wohngebiet bis zur Kanalstraße und eine Entlastung im Berufsverkehr und bei Unfällen für die Nordstraße ist nicht vorgesehen“, so umreißt Ralf Marotzke, Fraktionsvorsitzender der CDU im Ortsrat, die wesentlichen Probleme. „Außerdem wären anliegende Einzelhändler und weitere Betriebe nicht mehr problemlos zu erreichen.“
Das Planungsbüro PGT hatte im Ortsrat vorgeschlagen, sich für die Variante 1 oder 2 zu entscheiden – also mit oder ohne Kreisverkehr. Die CDU dagegen wollte mit einer Stimme Unterstützung erreichen, dass man vor der Umsetzung die Bürger und Betriebe beteiligt, damit nicht noch ein Leerstandsbereich wie in der Mittelstraße entstehe. Denn viele Kunden kommen auf der Fahrt zur oder von der Arbeit bei den Anliegern vorbei, kaufen ein und fahren von dort nach Hause. Zudem, so Marotzke, habe man offensichtlich den Verkehr nicht richtig bewerten können, da zum Beispiel wegen Corona sowohl der Schul- wie auch der Geschäftsbetrieb und der Verkehr zur Sporthalle nicht gemessen worden sei. Daraufhin, so das Ortsratsmitglied, gab das Planungsbüro zu verstehen, dass man über genügend Erfahrung verfüge, um das bewerten zu können. „Der Vorschlag des von der Stadt beauftragten Planungsbüros basiert nach eigenen Angaben auf geschätzten Daten; die eigentlich erforderliche spezielle Datenerhebung zum Verkehrsaufkommen in der Breiten Straße wurde nicht vorgenommen“, so der Politiker. „Deshalb konnte das Planungsbüro auch keine verlässliche Prognose abgeben, wie sich der Kfz-Verkehr zukünftig in Sehnde verteilt. Die CDU-Fraktion befürchtet eine zunehmende Verstärkung des allmorgendlichen Verkehrschaos während des Berufsverkehrs in der Nordstraße und ein Ausweichen der Ortskundigen auf die Wohngebiete zwischen der Straße des Großen Freien und der B 65 sowie der Fimbergstraße“, so die Stellungnahme der CDU dazu.
Maßnahme beginnt zwischen B 65 und Großem Freien
Darauf basierte dann auch der Wunsch der CDU-Fraktion, die Bürger zu beteiligen und zu befragen. „Das Planungsbüro aber versuchte, mit dem Hinweis auf Auslaufen von Fördermitteln zum Jahresende, die Sache zu beschleunigen“, so Marotzke. Auch Michael Brozy, Ortsratsmitglied der SPD und selbst Anlieger, sieht die Annahmen der Planer kritisch: „Man sprach bereits jetzt von einer Verkehrszunahme in der Straße des Großen Freien und konnte die Frage nach dem angenommenen Schleichverkehr nicht beantworten.“
Am Schluss wurde dann über den Antrag der CDU zur Bürgerbeteiligung gar nicht abgestimmt, sondern lediglich über die Beschlussvorlage. Das Ergebnis von 6 Ja- und 4 Nein-Stimmen für die letztendliche Sperrung sieht nun vor, den Teil der Breiten Straße zwischen B 65 und Straße des Großen Freien schon umzuwandeln mit den entsprechenden Maßnahmen und den Umbau des unteren Teils nach weiterer Kostenermittlung in einer nächsten Sitzung zu beraten. „Wir stellen uns Transparenz in den politischen Entscheidungen ganz anders vor. Offensichtlich haben SPD und Grüne aus den Diskussionen der letzten Zeit nichts gelernt“, meint der Fraktionsvorsitzende Ralf Marotzke abschließend.
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