Silke Lesemann und Oliver Lottke besuchen das Klinikum Wahrendorff
Zu einem Fach- und Informationsbesuch sind die beiden SPD-Landespolitiker Dr. Silke Lesemann (SPD) und Oliver Lottke (SPD) am vergangenen Freitagnachmittag, 19.11.2021, im Klinikum Wahrendorff gewesen. Dabei ging es um grundsätzliche Fragen der Pflege, der Einordnung der psychischen Krankheiten im Gesamtgesundheitswesen der Bundesrepublik und der Betreuung nach außen. Lottke, der als Politiker vom Fach kommt, fand den Einblick am Ende der Gespräche sehr aufschlussreich und versprach einen erneuten Besuch – und eine Hospitanz.
Personalschlüssel unbedingt anpassen
Personalmangel, ein unzureichender Personalschlüssel und ein Vergütungssystem, dass zu wenig mit der alltäglichen Arbeit zu tun habe – Heide Grimmelmann-Heimburg, Geschäftsführerin des Klinikums Wahrendorff, schlägt Alarm: Es müsse sich dringend etwas ändern, „wir stoßen an unsere Grenzen“. Mit diesen deutlichen Worten wandte sich die Geschäftsführerin an die Sehnder SPD- Landtagsabgeordnete Dr. Silke Lesemann, die am Freitag) die Einrichtung besucht hat. An ihrer Seite: Oliver Lottke, der in der SPD-Landtagsfraktion für die Themen Psychiatrie und Wohnungslosenhilfe verantwortlich ist und im Sozialausschuss des niedersächsischen Landtags sitzt. Dabei, so die Geschäftsführerin, solle man die Betreuungsschlüssel mal näher untersuchen. So beträgt er bei körperlichen Behinderungen 1:5, bei geistigen allerdings nur 1:12. Dies, so Günter Pöser, Leiter der Tagespflege des Klinikums, erschließe sich niemandem, der mal mit geistig Behinderten gearbeitet habe. Darum, so eine Kernforderung der Runde, müsse man die psychischen Krankheiten und geistigen Behinderungen den anderen gleichzusetzen – und dürfe sie nicht weiterhin an den Rand drängen.
Kein Unterschied zwischen geistiger und körperlicher Behinderung
„Bei geistiger Beeinträchtigung kümmert sich eine Fachkraft um fünf Patienten, bei einer seelischen Behinderung um zwölf, obwohl beide die gleiche intensive Betreuung benötigen“, betonte Grimmelmann-Heimburg. Dabei sei auch das Krankheitsbild oft sehr ähnlich, denn bei vielen Patienten gebe es verschiedene Diagnosen und es sei manches Mal nicht eindeutig, welche Behinderung vorliege, erklärte Professor Dr. Marc Ziegenbein, Chefarzt und ärztlicher Direktor des Klinikums, das im Bereich der Eingliederungshilfe über mehr als 1100 Betten verfügt, davon 300 im sogenannten geschützten Rahmen.
Doch was ist die Ursache für die unterschiedlichen Betreuungsschlüssel? „Menschen mit seelischen Behinderungen haben keine Lobby, keine Vertreter für ihre Interessen“, betonte Grimmelmann-Heimburg. „Früher konnte man mit sogenannten Mischkalkulationen Finanzierungsengpässe auffangen – das geht heute nicht mehr“, bestätigte Lottke, der früher selbst in diesem Bereich tätig war, bevor er in den Landtag einzog.
Personalgewinnung ist wichtig – Klatschen hilft nicht
Der schlechte Personalschlüssel habe gravierende Auswirkungen auf die Fachkräfte des Klinikum Wahrendorff, Überlastungen seien die Folge. „Es wird immer schwieriger für uns, Personal zu finden“, sagte die Geschäftsführerin. Zudem werde das Personal teurer, die Erstattung halte jedoch nicht Schritt. So bekomme das Klinikum im nächsten Jahr 1,6 Prozent mehr für das Personal, die Tarifsteigerung falle jedoch höher aus. Zu Beginn der Corona-Zeit seien die Zustände in der Betreuung und Pflege zu Recht häufig thematisiert worden, der Fokus lag aber überwiegend auf den Altenpflegeheimen und Krankenhäusern. Das hätte sie sich auch für den Bereich der Eingliederungshilfe gewünscht. „Unser Personal arbeitet am Limit, aber bekommt keinen Bonus oder Applaus.“
Focus neu ausrichten
Der Bereich Eingliederungshilfe müsse stärker in den Fokus gerückt werden – er dürfe nicht hinten runterfallen, forderte Marvin Linke, kaufmännischer Leiter Eingliederungshilfe der Einrichtung. Dem Bereich Eingliederung mache derzeit der Wohnungsmangel zu schaffen. Ziel sei es schließlich, die Bewohner zu stabilisieren, sodass sie eigenständig in ihrer eigenen Wohnung leben können. „Suche nach einer Wohnung ist ohnehin schon schwierig – doch für Menschen mit einer seelischen Behinderung kann das trotz Hilfe eine Überforderung sein.“
Initiative vom Land gewünscht
Bei vielen dieser Probleme sei die Politik auf Bundesebene gefragt – Lottke versprach, die genannten Anliegen im Sozialausschuss des Landtags zu thematisieren und im Blick zu behalten. Er lud Grimmelmann-Heimburg außerdem zur einer Sitzung des Arbeitskreises der SPD-Landtagsfraktion ein. Lesemann kündigte an, im nächsten Jahr gemeinsam mit Lottke im Klinikum Wahrendorff im Bereich der Eingliederungshilfe hospitieren zu wollen. „Ich bin so froh, dass Sie heute bei uns waren und mit Herrn Lottke einen wirklichen Experten im diesem Bereich mitgebracht haben“, betonte Grimmelmann-Heimburg am Ende des Gesprächs.
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