Angespannte Personalsituation nach NKiTaG in den städtischen Sehnder Kitas
Nicht immer bringt eine Neuerung auch eine Verbesserung für die Betroffenen. So kann man es kurz ausdrücken, wenn man von Neuen Kita-Gesetz (NKiTaG) in Niedersachsen spricht. Es hat vielmehr die Situation in den Kitas verschlimmbessert für die Eltern und Kinder. Dieses Fazit kann man nach einem Gespräch mit der Stadtverwaltung Sehnde – aber auch nach Informationen aus anderen Städten der Region – ziehen.
Erst musste die Morgenbetreuung in drei Kitas der Stadt Sehnde wegen der neuen Vorgaben entfallen, nun zeigen sich immer mehr Löcher in der Personaldecke der Kitas. Dies bestätigte die Sehnder Fachbereichsleiterin Kindertagesbetreuung und Jugendarbeit, Katharina Strauß, am Mittwoch. Ihren Angaben zufolge hat sich der Anbietermarkt inzwischen in einen Nachfragemarkt gewandelt. Denn auch hier schlägt sich der demographische Wandel in einem Fachkräftemangel nieder, der zusätzlich durch zu wenige Ausbildungsplätzte verschärft wird. Dieser Sektor hat ein nie dagewesenes Ausmaß erreicht: Die Zahl des pädagogischen und leitenden Personals ist allein im Zeitraum zwischen 2006 und 2016 in Deutschland um rund 62 Prozent gestiegen.
Personallage deutschlandweit angespannt
Deshalb ist die Personalsituation in den meisten Kindertagesstätten bereits seit längeren angespannt – auch in Sehnde. Es wird immer schwieriger, vakante Stellen neu zu besetzen und die gesetzlich vorgegebenen Fachkräfte zu gewinnen. Da hat der Gesetzgeber einmal mehr die Kommunen mit einem wahlwirksamen Gesetz alleingelassen. Viele Stellen, für die die Arbeitszeit fast ausschließlich im Nachmittagsbereich liegt – wie beim Hort – und bei denen in den Schulferien täglich ganztags gearbeitet wird, die mehrmals die Woche Arbeitszeiten bis 17 Uhr aufweisen oder befristet sind als Vertretungen, können Strauß zufolge kaum noch besetzt werden. Dies führt zu längerfristigen Vakanzen einerseits und andererseits zu permanent laufenden Stellenauswahlverfahren.
Ständig laufende Auswahlverfahren behindern
Allein für den Kitabereich der Stadt Sehnde erfolgten bis November 2021 insgesamt sechs Auswahlverfahren, für Dezember ist ein weiteres geplant. Diese Verfahren behindern die Verwaltung wegen ihrer Komplexität heutzutage in ihrer Arbeit nicht unerheblich. In den sechs Verfahren wurden insgesamt 21 Stellen ausgeschrieben, zusätzlich hat die Stadt Sehnde eine Dauerausschreibung auf den Internetseiten in der entsprechenden Rubrik veröffentlich, sodass jederzeit Initiativbewerberinnen motiviert werden, sich zu bewerben.
Nur: Die Auswahlverfahren ergeben nicht immer ein beidseitig befriedigendes Ergebnis. So mussten sechs Stellen mehr als einmal ausgeschrieben werden ehe eine Besetzung gefunden war. Die Stellen von Spring- oder Vertretungskräfte mussten sogar viermal hintereinander ausgeschrieben werden.
Arbeitszeiten nachmittags oft unattraktiv
In Jahr 2021 konnten trotzdem bis November 24 pädagogische Kräfte und drei Auszubildende eingestellt werden. Dennoch lebt der Bereich mit ständigen Vakanzen über alle Kindertagesstätten verteilt. Das ist eine Dauerbelastung, die allein durch die Vertretungskräfte nicht kompensiert werden kann. Die Springkräfte sind vornehmlich für die Vertretung von Krankheitsfällen, kurzfristigen Freistellungen bei Schwangerschaften, Fortbildungstagen und Urlaub eingesetzt. Zusätzlich erschwert wird die Situation, dass genau diese Stellen häufig vakant sind und das erforderliche Stundenkontingent für Vertretungen somit nicht erfüllt werden kann.
Kaum Personal auf dem Markt
Auch die Anzahl der Bewerbungen gibt Anlass zur Nachdenklichkeit. Da es meistens nur wenige Bewerbungen auf eine Stelle gibt, kann eine richtige Auswahl nicht erfolgen. Nur beim Stellenangebot für drei Umsteiger gab es 27 Bewerbungen – aber auch da kommen dann nicht alle eingeladenen Bewerber zum Gespräch.
Situation ist „hausgemacht“ vom Gesetzgeber
Zudem gibt das eingangs erwähnte NKiTaG einen veränderten Personalschlüssel für die Kitas vor. So müssen nun ständig jeweils zwei Fachkräfte mit der Qualifikation Erzieher oder vergleichbar anwesend sein. Zuvor waren ein Erzieher und ein Sozialassistent möglich. Dies führt dazu, dass derzeit – und auch zukünftig – viele Träger von Kindertagesstätten in ganz Niedersachsen auf der Suche nach solchen Personen sind – und sich damit Konkurrenz machen. Da auch die Ausbildungsplätze nicht in ausreichender Zahl angeboten werden und genügend Ausbilder nicht verfügbar sind, verknappt sich die Lage zusehends.
Stadt Sehnde sehr aktiv
Die Stadt Sehnde hat Strauß zufolge bereits viele Maßnahmen auf den Weg gebracht, um sich als attraktive Arbeitgeberin auf dem Arbeitsmarkt im Ballungsraum Hannover behaupten zu können. Gerade im Kita-Bereich wird verstärkt auf die Mitarbeiterbindung gesetzt. So gehören Maßnahmen wie das Personalhaltungs- und -gewinnungskonzept der Stadt bereits seit mehreren Jahren zum festen Bestandteil des Personalmanagements. Hierzu zählen unter anderen:
- Vergabe von Stipendien für Auszubildende
- Finanzierung von Fort- und Weiterbildungen (Fachwirtin Kindertagesstätten, Ausbildung zum Erzieher)
- Flexibles Stundenkontigent ,um Stellen den Bedürfnissen von Mitarbeitenden anpassen zu können
- Leistungsgeminderte Arbeitsplätze
Weiterhin bietet die Stadt Sehnde Stellen für die tätigkeitsbegleitende oder berufsbegleitende vergütete Ausbildung zum Sozialassistent (Quereinsteiger) an. Auch Rahmenangebote, wie Sport und mehr, fließen in die Ausschreibung ein.
Reserven nicht vorhanden
All das hilft, ist aber nicht die optimale Lösung zur Gewinnung von ausreichenden Bewerbern. „Bereits seit mehreren Wochen müssen wir im Rahmen der jahreszeitlichen Krankheitswelle zahlreiche krankheitsbedingte Ausfälle unter den Mitarbeitenden in den Kindertagesstätten feststellen“, so Strauß. „Dies führt dazu, dass in fast allen Kitas der Personalschlüssel zumindest tageweise reduziert ist und der Betrieb teilweise nur durch viel Einsatzbereitschaft der Mitarbeitenden, wie zum Beispiel das Anhäufen von Überstunden, aufrechterhalten werden kann. Dies stellt eine sehr belastende Situation für die Betroffenen dar.“
Strauß nennt hierfür die die Kalenderwoche 46 als Beispiel. „Hier waren an einem Tag bei insgesamt 174 Beschäftigten im Fachdienst Kindertagesbetreuung und Jugendarbeit 51 Krankmeldungen zu verzeichnen. Dies entspricht einem prozentualen Anteil von rund 30 Prozent. Hinzukommen ‚Kind krank-Meldungen‘, diverse Stellenvakanzen, Abwesenheit durch Fort- und Weiterbildung sowie Urlaub.“ In der Folge mussten in der Beispiel-Woche in zwei Kindertagesstätten die Betreuungszeiten für insgesamt drei Gruppen um jeweils zwei Stunden von 16 auf 14 Uhr reduziert werden.
Situation wird sich wohl verschärfen
„Da die krankheitsstarke Jahreszeit gerade erst begonnen hat, – und Corona nachwievor droht – muss leider davon ausgegangen werden, dass sich die Situation auch langfristig nicht erheblich entspannen wird“, prognostiziert die Fachdienstleiterin. „Dennoch hoffen wir sehr, dass Reduzierungen von Betreuungszeiten oder gar ganze Gruppenschließungen weiterhin nur in einem sehr geringfügigen Maße erforderlich werden. Aber leider können sie nicht ausgeschlossen werden.“ Und in dem ganzen Dilemma durch das NKiTaG hat Strauß noch gar nicht die Küchenkräfte erwähnt, die ebenfalls immer seltener verfügbar sind.
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