Mit Vorsicht und Umsicht in die nächsten Monate – Regierungserklärung des Ministerpräsidenten Stephan Weil
„Wir befinden uns in Niedersachsen inzwischen im achten Monat der Corona-Krise und wünschen uns alle nichts sehnlicher, als dass dieser Albtraum nun endlich einmal aufhört“, sagte Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil zu Beginn seiner Regierungserklärung anlässlich der Corona-Krise.
Danach ist auch ein gemütlicher Abend mit Freunden keine Selbstverständlichkeit mehr. Und wenn das Niedersachsenderby zwischen Hannover 96 und Eintracht Braunschweig sogar bei eingeschränkter Zuschauerzahl auf 9800 Plätze mit 7200 Besuchern nicht ausverkauft ist, spricht das Weil zufolge auch Bände.
Er will damit aufzeigen, dass ihm alle diese Sorgen und Nöte sehr bewusst sind. „Aber allen unseren Wünschen zum Trotz lautet die Wahrheit: Es ist kein Ende der Pandemie in Sicht“, so Weil weiter mit Blick nach vorn.
Die Entwicklung der Infektionen spricht auch in Niedersachsen eine deutliche Sprache. Neben dem Anstieg der Zahlen im Ausland klettern sie auch in Niedersachsen immer weiter. Darauf reagiert die Politik des Landes nur mit den bekannten Quarantäneregeln. Ergänzend soll das Land als Grenzland den kleinen Grenzverkehr mit einem 24-Stunden-Aufenthalt aufrechterhalten.
„Das ist kein Grund für Panik, aber allemal zur Vorsicht. Natürlich sind wir wesentlich besser aufgestellt, als vor acht Monaten. Wenn die Infektionszahlen nicht sprunghaft, sondern nach und nach steigen, ist das der Erfolg von vielen Vorbeugemaßnahmen und vor allem auch der ausgezeichneten Arbeit in den Gesundheitsämtern“, folgert der Ministerpräsident.
Außerdem ist die Situation in den Krankenhäusern demzufolge weiterhin unauffällig. Das hängt den Angaben von Weil zufolge mit dem wesentlich niedrigeren Durchschnittsalter von infizierten Menschen zusammen. Das hat gegenüber der Situation von vor einem halben Jahr abgenommen.
Jedoch gilt auch: Je mehr Menschen in der Gesellschaft infiziert sind, desto größer ist auch das Risiko, dass die besonders gefährdeten Gruppen wieder voll erfasst werden. Der große Ausbruch in einem Pflegeheim in Vechta mit zwei Todesfällen ist dafür ein warnendes Beispiel. Zudem ist ein überschaubares Infektionsrisiko auch die Basis dafür, dass Kinder in die Kita und Schüler in die Schulen gehen können. Aber die Risiken für die Gesamtentwicklung sind dennoch unübersehbar.
„Wir müssen deswegen alle Menschen in Niedersachsen herzlich bitten: Bleiben Sie vorsichtig! Helfen Sie mit, dass es keine neuen Infektionen gibt! Diese Bitte richtet sich insbesondere auch an die jüngeren Menschen, denen naturgemäß manche Einschränkungen womöglich schwerfallen. Aber es hilft nichts: Nur, wenn wir alle vernünftig sind, können wir frei und sicher leben“, appelliert Weil an die Gruppe der Personen, die sich derzeit am meisten von den Einschränkungen betroffen fühlen. Denn er meint: „Wenn zu viele von uns unvernünftig sind, riskieren wir die Gesundheit von vielen anderen Menschen. Wir haben es selbst in der Hand!“
Zudem weist er auf die neue Corona-Verordnung hin, die in zwei Tagen in Kraft treten soll. In ihr sollen auf dieser Grundlage klare Regeln festgelegt werden, die für die Bürger gut verständlich sind. Es soll dabei bleiben: draußen keine Maske – wenn der Mindestabstand eingehalten werden kann. In geschlossenen Räumen dagegen ist prinzipiell eine Maske nötig, es sei denn, der Mindestabstand ist sichergestellt. Und für alle öffentlich zugänglichen Einrichtungen ist hinzuzufügen: Die sorgfältige Aufstellung von Hygienekonzepten und deren konsequente Beachtung sind unverzichtbar.
„Auf Basis dieser relativ einfachen Aussagen haben wir unsere Verordnung deutlich kürzer fassen und in weiten Bereichen zugleich die bisherigen Regelungen beibehalten können“, gibt Weil einen Ausblick. „Ganz ohne besondere Regeln für besondere Bereiche geht es aber auch in Zukunft nicht.“
Das betrifft vor allem den Zusammenhang von Zusammenkünften, sei es im privaten Rahmen, sei es in öffentlichen Räumen. Positiv sind dabei die Erfahrungen Weil zufolge in vielen Gaststätten, Theatern, Kinos und anderen Angeboten. Dort werde die Vorsorge sehr ernst genommen, auch wenn es oft schwierig sei. Umgekehrt gibt es negative Erfahrungen mit größeren Zusammenkünften im privaten Sektor. Deswegen soll künftig eine Grenze von 25 Personen bei privaten Zusammenkünften in privaten Räumen gelten. Normale Geburtstags- oder Familienfeiern sollten damit auch weiterhin möglich sein, meint der Ministerpräsident. Draußen gilt eine Grenze von 50 Personen. Im Rahmen von Gaststätten und anderen öffentlich zugänglichen Räumen mit einem Hygienekonzepts soll eine Besucherzahl von 100 Menschen als Obergrenze dienen und die bisherige Beschränkung auf besondere Anlässe entfallen. So sollen Feiern da stattfinden, wo sie unter professionellen Bedingungen stattfinden und damit sicherer sind.
Mehr Möglichkeiten sollen demgegenüber Kinos, Theater und andere Kulturstätten erhalten. Sie dürfen mit einer Schachbrett-Belegung, guten Belüftungsanlagen und sorgfältigen Hygienemaßnahmen vor und nach den Veranstaltungen die Platzkapazität besser nutzen dürfen. Parallel dazu gibt es das Programm des MWK „Niedersachsen dreht auf“, mit dem verstärkt Kulturveranstaltungen gefördert werden. „Wir wollen, dass Künstlerinnen, Künstler und Kreative wieder mehr Arbeit haben, denn das nutzt ihnen am meisten!“, so Weil.
Die Corona-Verordnung ist das rechtliche Gerüst des Infektionsschutzes in Niedersachsen. Aber Corona ist nicht durch Rechtsetzung allein beherrschbar. Grundlage ist und bleibt das verantwortungsvolle persönliche Verhalten der Bürger.
In vier Stufen wird das Vorgehen adäquat zu der jeweiligen Lage bestimmt. Dabei erfolgt es in einem dezentralen Ansatz: Regionalität und lokaler Bezug. Landkreise und kreisfreie Städte müssen weiter angemessen und konsequent handeln, so dass vorübergehende Hotspots eingedämmt werden. „Unser Ziel ist es gerade, landesweite Maßnahmen so gut wie irgend möglich zu vermeiden“, so der Ministerpräsident.
Nach Ankündigung des Bundes sollen darüber hinaus sehr schnell Schnelltests zur Verfügung stehen. Fortschritte gibt es Weil zufolge auch aus dem Bereich der Impfstoffforschung zu berichten. Weltweit befänden sich inzwischen neun Impfstoffkandidaten in einer klinischen Erprobung und erste Teillieferungen von zugelassenen Impfstoffen seien vielleicht am Jahresanfang 2021 möglich. „Auch in Niedersachsen sind wir mit dem HZI, der MHH sowie Einrichtungen wie TWINCORE und dem Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) in der Impfstoffforschung dabei“, freut sich Weil. „Als Land bereiten wir uns auch in dieser Hinsicht vor: Impfbesteck wird beschafft, die Logistik und die Kühlung des Impfstoffs werden sichergestellt und gemeinsam mit der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen werden Impfzentren vorbereitet.“
Zum Schluss zieht der Ministerpräsident ein positives Fazit. „Deutschland und auch Niedersachsen sind heute wesentlich besser vorbereitet als vor acht Monaten. Der weit überwiegende Teil der Bürgerinnen und Bürger macht mit und hilft durch eigene Vorsicht, das Virus in Schach zu halten. Und die Forschung macht uns noch nicht ganz schnell, aber immerhin doch absehbar Hoffnung, Corona zurückzudrängen.“
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