Regierungserklärung des Niedersächsischen Ministerpräsidenten: Niedersachsen kämpft mit dem Corona-Virus
In einer Erklärung wandte sich der Niedersächsische Ministerpräsident am Mittwoch, 17.02.2021, an die Bürger des Landes. Er erklärte (in verkürzter Form): „Es ist nun wirklich noch nicht lange her, dass ich Ihnen zuletzt von dieser Stelle aus über den Stand der Pandemiebekämpfung in Niedersachsen berichtet habe. Genau genommen sind es gerade etwas mehr als drei Wochen. Und trotzdem ist schon wieder jede Menge passiert, so dass kein Mangel an Stoff für eine aktuelle Berichterstattung besteht.
Da ist zunächst einmal eine durchaus widersprüchliche Entwicklung bei den Infektionen. In Deutschland insgesamt verzeichnen wir einen sehr erfreulichen Rückgang der Inzidenzwerte. Allerdings bietet sich uns in Niedersachsen ein durchaus gemischtes Bild. Es gibt inzwischen weite Teile unseres Landes, die eine durchaus geringe Belastung verzeichnen. 23 der 45 niedersächsischen Gesundheitsämter melden heute einen Inzidenzwert unter 50, elf sogar unter 35. Auf der anderen Seite haben wir aber auch nach wie vor Hotspots mit Werten zum Teil über 100. Von 14,0 in der Stadt Emden bis 215,6 im LK Wesermarsch reicht insgesamt die Spannbreite. Deswegen haben wir auch bei den Landeswerten im Vergleich zur Bundesentwicklung nur einen unterdurchschnittlichen Rückgang der Infektionszahlen. In den letzten Tagen treten wir sogar auf der Stelle, und das kann uns nicht zufrieden stellen.
Wir analysieren genau die Ursachen für diese lokalen Ausbrüche und haben die Zusammenarbeit mit den besonders belasteten Gebieten auf dieser Grundlage noch einmal intensiviert, damit wir auch dort die Fortschritte erzielen, die anschließend dann dem ganzen Land zugutekommen.
Aus unseren Krankenhäusern gibt es dagegen derzeit gute Nachrichten. Die Zahl der Intensivbehandlungen sinkt und endlich auch die der Todesfälle. Das freut mich vor allem auch für diejenigen, die sich in den letzten Monaten hingebungsvoll um ihre Patienten gekümmert haben und weiter kümmern. Dasselbe gilt für die Beschäftigten in der Altenpflege, die auf eine schlimme Zeit zurückblicken. Danke für diesen Einsatz!
Es gibt auch noch eine andere Seite der Medaille, die bislang noch weitgehend unsichtbar verläuft. Mutationen des Virus haben einen immer größeren Anteil an den Infektionen und werden bald dominant sein. Diese Mutationen haben auch ein deutlich höheres Ansteckungsrisiko. Deswegen dürfen wir uns von sinkenden Infektionszahlen insgesamt nicht täuschen lassen. Käme es jetzt zu einer neuen breiten Infektionswelle, dürften die Auswirkungen noch einmal viel größer sein, als unsere bisherigen Erfahrungen. Das Tückische an der aktuellen Lage ist, dass die Statistiken uns dieses Risiko nicht zeigen. Unser Vorteil ist aber auch, dass wir aus den Erfahrungen anderer Länder lernen können. Wir sind „gewahr“, wie wir in Niedersachsen sagen.
Deswegen haben Bund und Länder vor einer Woche beschlossen, den Lockdown mindestens bis zum 7. März fortzusetzen. Wir müssen das Infektionsniveau noch einmal deutlich absenken, um all unsere bisherigen Fortschritte nicht zu verspielen. Das ist nicht leicht zu kommunizieren, das weiß ich wohl. Aber wir müssen allen klarmachen, warum wir konsequent bleiben müssen und nicht lockerlassen dürfen. Dabei bitte ich Sie alle sehr herzlich um Ihre Unterstützung – es ist derzeit der beste Weg, den wir gehen können!
Wir sind der Mutation nicht schutzlos ausgeliefert, aber wir müssen in den ganzen nächsten Monaten vorsichtig bleiben. Umso wichtiger ist es, eine Frage zu beantworten, die sich viele Bürgerinnen und Bürger stellen: Wie soll es eigentlich weitergehen?
Die Landesregierung hat vor zwei Wochen vorgestellt, wie wir uns das weitere Vorgehen vorstellen können. Unser Vorschlag für einen Stufenplan 2.0 beruht auf einigen wenigen Grundsätzen:
Niemand gibt uns eine Garantie, dass es ab jetzt nur noch besser werden kann. Wir müssen vorbereitet sein für gute wie auch für schlechtere Phasen, für Lockerungen ebenso wie für Verschärfungen.
Die Erfahrungen der vergangenen Monate sollten uns eines lehren: Wir müssen früher und konsequenter einsteigen, wenn die Infektionszahlen wieder steigen.
Wenn sich eine dynamische Entwicklung bei den Infektionen abzeichnet, muss diese Dynamik sofort gebrochen werden.
Auf dieser Grundlage haben wir ein erweitertes Ampelsystem vorgeschlagen und zur Diskussion gestellt. Ich freue mich, dass die Aufnahme dieses Vorschlags innerhalb unseres Landes durchaus wohlwollend gewesen ist und verstehe natürlich, dass alle Gruppen für sich selbst schnellere Fortschritte wünschen. Es ist also viel Bewegung in der Diskussion, aber wir haben noch keine bundesweite Lösung. Meine klare Erwartung ist, dass in der nächsten Bund-Länder-Runde am 3. März dazu ein substantieller Vorschlag auf dem Tisch liegt. Die Niedersächsische Landesregierung jedenfalls wird an dieser Stelle sehr hartnäckig bleiben!
Bis dahin gilt jedenfalls eine wichtige Verständigung zwischen Bund und Ländern: Wesentliche Lockerungen sollen erst möglich sein, wenn ein Inzidenzwert von 35 erreicht ist. Davon sind wir derzeit um einiges entfernt, dennoch ist diese Aussage natürlich erklärungsbedürftig. Die Begründung ergibt sich aus meinen Hinweisen auf die derzeitige Lage. Wenn wir wissen, dass wir es bei den Virusmutationen mit einem neuen Gegner und einem größeren Infektionsrisiko zu tun haben, müssen wir noch einmal vorsichtiger sein. Wir müssen früher intervenieren oder später lockern. Und wir müssen unbedingt eine Situation vermeiden, von der aus die Zahlen dann stark ansteigen und die Kontaktnachverfolgung kaum noch möglich ist.
Unter diesen Voraussetzungen blicke ich gespannt auf die Fortsetzung unserer Beratungen auf Bundesebene am 3. März. Im Anschluss an die Ministerpräsidentenkonferenz mit der Bundeskanzlerin werden wir dann innerhalb der Landesregierung das Ergebnis und unsere landesinterne Diskussion auswerten und über den Stufenplan in Niedersachsen entscheiden.
Die Infektionsbekämpfung, kurz- und mittelfristig, ist das eine, die Vorbeugung das andere.
Die Impfungen in Niedersachsen gehen von Tag zu Tag voran: Inzwischen haben über 233 000 Menschen eine Erstimpfung erhalten, mehr als 127 000 auch die notwendige Zweitimpfung. Besonders deutlich sind die Fortschritte in den Alten- und Pflegeheimen: In 90 Prozent der Pflegeheime wurde das erste Mal und etwa 60 Prozent das zweite Mal geimpft. Schon dieser Zwischenstand bringt spürbar mehr Sicherheit in unser System und reduziert die Todesfälle spürbar.
Nach den stationären Einrichtungen werden jetzt auch immer mehr Einrichtungen des betreuten Wohnens durch die mobilen Impfteams versorgt. Und schließlich werden Tag für Tag in den 50 Impfzentren überall im Land Seniorinnen und Senioren über 80 Jahren geimpft.
Die Impfungen gehen also deutlich voran, aber gehen sie auch schnell genug voran? Wir hatten in den letzten Wochen noch kein ausreichendes Vertrauen in die Zuverlässigkeit der angekündigten Lieferungen und deswegen konsequent für jede Dosis der Erstimpfung eine zweite Dosis für die zweite Impfung beiseitegelegt. Andere Länder haben dabei zum Teil andere Anteile gewählt und das erklärt die Unterschiede. Nach den Erfahrungen der vergangenen Wochen gab es allerdings gute Gründe für unser Vorgehen.
Inzwischen können wir aber mehr Vertrauen in die Lieferzusagen haben. Seit Anfang der Woche geht bereits ein deutlich höherer Anteil des Impfstoffs in die anstehenden Erstimpfungen, die damit mehr Tempo aufnehmen. Diesen Anteil können wir jetzt nach den neuen Empfehlungen des Bundes noch einmal deutlich erhöhen. Das Impf-Tempo wird sich dadurch in den nächsten Tagen spürbar beschleunigen, da bin ich sicher.
Dass der Auftakt der Impfkampagne in den Impfzentren leider mit einigen Mängeln behaftet gewesen ist, liegt offen zu Tage und ist auch nicht zu beschönigen. Es tut uns allen sehr leid, dass gerade hochbetagte Menschen mit den Tücken einer überlasteten Hotline zu kämpfen hatten. Inzwischen wird die Warteliste konsequent abgearbeitet, zur Zeit sind dort noch 222 987 Namen registriert, die der Reihenfolge nach in den nächsten Wochen ihre Impftermine erhalten werden, und zwar aus den genannten Gründen deutlich schneller als bisher.
Erfreulicherweise haben wir in Niedersachsen eine riesige Impfbereitschaft bei vielen hochbetagten Menschen – und bedauerlicherweise haben wir dafür viel zu wenig Impfstoff. Es gibt eine nüchterne Schlussfolgerung daraus zu ziehen: Vor allem im ersten Quartal werden alle Beteiligten noch eine ganze Menge Geduld aufbringen müssen. Das bedauern wir alle, aber es ist leider so. Die Hersteller haben für das zweite Quartal einen starken Anstieg der Liefermengen zugesagt. Obendrein werden weitere Zulassungen für neue Impfstoffe erwartet. Kurzum: Es wird wesentlich mehr Impfstoff für wesentlich mehr Menschen zur Verfügung stehen.
Die Impfzahlen dürften also um einiges steigen. Deswegen haben wir die Impfzentren in der letzten Woche aufgefordert, ihre Kapazitäten von jetzt 120 Impfteams auf 200 Impfteams aufzustocken. Der Spitzenwert liegt mittlerweile bei gut 18 000 Impfungen am Tag. Und es sollen mehr werden, die weiteren Planungen laufen. Wir wollen und können mit den Impfzentren, mit den mobilen Teams und auch mit den Arztpraxen mittelfristig bei einem deutlichen Anstieg der Impfstofflieferungen noch viel mehr schaffen.
Was heißt das bezogen auf den Verlauf des weiteren Jahres?
Zunächst einmal gibt es so etwas wie eine zweite Impfspur. Sie wissen, dass der Impfstoff des Pharmakonzerns AstraZeneca in Deutschland nur für Menschen bis 65 Jahre zugelassen worden ist. Daraus folgt: Die bislang zugelassenen Impfstoffe werden konzentriert auf Menschen über 80 Jahre, und der neue Impfstoff soll vor allem für die Beschäftigten im Gesundheitswesen zur Verfügung stehen.
Wenn diese erste Prioritätsgruppe dann geimpft ist, werden weitere Gruppen an die Reihe kommen, insbesondere auch Bürgerinnen und Bürger mit Vorerkrankungen und chronischen Krankheiten. In der zweiten Stufe sind dann auch erstmals Polizeibeamte und Soldaten vorgesehen. Dazu müssen meines Erachtens unbedingt auch Lehrerinnen und Lehrer sowie Erzieherinnen und Erzieher gehören. Erfreulicherweise hat es in dieser Hinsicht jetzt offenbar einen Sinneswandel bei der Bundesregierung gegeben. Damit aber nicht wieder zu große Erwartungen entstehen: Diese zweite Prioritätsgruppe dürfte erst im zweiten Quartal nach und nach Impfangebote erhalten, bis dahin werden die Hochbetagten im Vordergrund stehen.
Wenn wir auf das ganze Jahr blicken, können wir den Impfkalender ganz grob wie folgt einteilen: Im ersten Quartal müssen wir auch für den noch verbleibenden Rest mit einer Mangelverwaltung rechnen. Es wird nicht genug Impfstoff geben, um alleine die Wünsche aus der ersten Prioritätsgruppe schnell und gründlich abzuarbeiten.
Im zweiten Quartal wird sich das aller Voraussicht nach deutlich ändern. Wenn alles gut geht, können wir im zweiten Quartal allen impfwilligen Menschen in den drei Priorisierungsgruppen Impfungen anbieten. Schon in dieser zweiten Phase möchten wir die niedergelassenen Ärzte mit in den Impfprozess einbeziehen.
Im dritten Quartal wird sich womöglich eine ganz andere Lage darstellen: Es gibt dann jede Menge Impfstoff, vor allem gibt es dann auch genug Impfstoff, damit die Hausärzte überall in Niedersachsen Impfangebote machen können. Das wäre wirklich ein echter Durchbruch und die Grundlage dafür, die Pandemie endlich in den Griff zu bekommen.
Bestätigen sich diese Planungen, dann bleibt unser Ziel realistisch: Alle impfwilligen Menschen in Deutschland sollen bis zum Ende des dritten Quartals ein Impfangebot erhalten!
Aber zurück zur Gegenwart. Regeln zum Infektionsschutz und Impfungen sind Säulen unseres Vorgehens, Schutzkonzepte für einzelne Bereiche sind es nicht minder. Auch diese Schutzkonzepte wollen wir weiter ausbauen. Das betrifft zunächst die Masken. Wir wollen als Land vor allen Dingen besonders exponierten Landesbeschäftigten einen zusätzlichen Schutz bieten, also den Lehrerinnen und Lehrern, Polizeivollzugsbeamten und den Beschäftigten im Justiz- und Maßregelvollzug. Hierzu werden zunächst 15 Millionen FFP2- und sieben Millionen OP-Masken zur Verteilung freigegeben.
Für die Beschäftigten in Schulen und den Kindertagesstätten gibt es jetzt darüber hinaus ein freiwilliges Testangebot. Bis zu den Osterferien können sich die über 100 000 Lehrkräfte und Schulleitungen, die pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, aber auch die kommunalen Beschäftigten in den Schulen einmal pro Woche testen lassen.
Dieselbe Möglichkeit soll es auch für die rund 80 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Kindertageseinrichtungen und in der Tagespflege geben. Handelt es sich bei diesen Personen zwar nicht um Landesbedienstete, übernimmt das Land dennoch die Hälfte der Kosten, sofern die andere Hälfte der jeweilige örtliche Träger der Einrichtung trägt. Auch in anderen Bereichen mit unvermeidbaren Kontakten wie der Polizei, Landesaufnahmebehörde, Justiz- und Maßregelvollzug wird es freiwillige Testangebote geben für die Beschäftigten des Landes. Bei einer vollständigen Inanspruchnahme dieser Angebote werden dafür übrigens etwa 40 Millionen Euro Kosten entstehen.
In wenigen Wochen erwarten wir dann auch die Zulassung von neuen Schnelltests. Wie wir es ja auch während dieser Sitzungsperiode erleben, sind die bisherigen Verfahren nicht ohne Aufwand und auch nicht sonderlich angenehm. Das soll sich ändern, es werden Schnelltests erwartet, bei denen schon ein Abstrich im unteren Nasenbereich oder in der Wange genügt. Obendrein soll der Preis für diese Tests deutlich niedriger sein.
Sobald diese Möglichkeit besteht, werden wir wiederum mit großen Mengen diese Chance nutzen, im Bildungswesen und anderen geeigneten Bereichen mehr Sicherheit durch mehr Tests zu schaffen. Auch in vielen Unternehmen und im privaten Bereich gibt es damit die Chance oft zu testen. Meine Forderung an den Bund ist: Schnelle Zulassung der Tests und eine ambitionierte, möglichst bundesweite Teststrategie.
Last but not least, auch wissenschaftlich ist vieles in Bewegung. Ich war jedenfalls sehr beeindruckt davon, wie Spürhunde eine Corona-Infektion identifizieren können. Die Tierärztliche Hochschule in Hannover hat jetzt einen entsprechenden Nachweis erbracht und wir wollen in Machbarkeitsstudien klären, ob auch auf diese Weise die Sicherheit in allen sensiblen Bereichen weiter verstärkt werden kann.
Bis wir die Infektionszahlen dauerhaft reduziert haben und bis insbesondere auch alle Wirtschaftsbranchen wieder ihre Arbeit aufnehmen können, wird weiter eine sehr aktive Unterstützung nötig sein. Ja, sie wird sogar umso wichtiger, je länger Handel, Gastronomie und andere Bereiche stillgelegt sind. Bislang sind in Niedersachsen 95 Prozent der Anträge auf die Novemberhilfe und 64 Prozent auf die sogenannte Dezemberhilfe ausgezahlt worden. Bis März sollen alle Anträge abschließend bewilligt sein.
In der vergangenen Woche hat die Bundesregierung endlich die Möglichkeit eröffnet, online Anträge auf eine Überbrückungshilfe 3 zu stellen, die die Umsatzeinbußen in diesem Jahr entschädigen soll. Wir hoffen darauf, dass Abschläge auf entsprechende Anträge sehr schnell vom Bund ausgezahlt werden, danach erfolgt die endgültige Bearbeitung auf Landesebene und zwar durch die NBank. Da das Verfahren keineswegs trivial ist und viele, viele Anträge zu erwarten sind, handelt es sich dabei um eine Herausforderung, die allen Beteiligten viel abverlangen wird. Wir messen einer zügigen Auszahlung der Wirtschaftshilfen eine große Bedeutung zu.
Damit bin ich am Ende meines aktuellen Berichts angelangt. Vielleicht geht es Ihnen wie mir: Die Bekämpfung dieser Pandemie ist zäh und sie verlangt allen Beteiligten ungeheuer viel ab. Wir sind auf dem richtigen Weg, wir kommen voran – lassen Sie uns diesen Weg deswegen bitte gemeinsam weitergehen!
Anzeige