Übergangsregelung der Corona-Verordnung: Handlungsspielräume für Kommunen

Mit der am Dienstag veröffentlichten und am heutigen Mittwoch, 28.07.2021, in Kraft tretenden Änderung der Niedersächsischen Corona-Verordnung erhalten die Landkreise und kreisfreien Städte deutlich erweiterte Handlungsspielräume bei wieder steigenden Inzidenzen. Zugleich werden die Regeln für besonders kritische Bereiche verschärft.

Es sollen damit stärker die Bereiche in den Blick genommen werden, die zuletzt nachweislich zum Anstieg der Infektionszahlen beigetragen haben. Es soll gleichzeitig vermieden werden, dass bei weiter steigenden Inzidenzwerten auch Bereiche von stärkeren Einschränkungen betroffen sind, für die das nicht gilt. Die Beurteilung obliegt nach der Neuregelung den Kommunen – oder der Region Hannover für den Regionsbereich.

Das Land Niedersachsen gibt größere Spielräume an – Foto: Rad

Der landesweite Inzidenzwert liegt heute mit 15,5 auf einem vergleichsweisen niedrigen Niveau. Die Region Hannover hat dagegen heute einen Wert von 32,5. Allerdings ist der Wert in den letzten Wochen insgesamt wieder kontinuierlich angestiegen und in einigen Regionen Niedersachsen sind Anstiege mit einem besorgniserregenden Tempo zu verzeichnen, womit Grenzwerte des Niedersächsischen Stufenplans im Eiltempo überschritten werden können. In zahlreichen Kommunen lässt sich der starke Anstieg auf wenige Bereiche zurückführen. Mit der Verordnungsänderung können dort künftig diejenigen Bereiche von Einschränkungen ausgenommen werden, die nicht maßgeblich zum Anstieg der Infektionszahlen beigetragen haben.

Flexibilität soll Besonderheiten berücksichtigen

Die aktuelle Änderungsverordnung kann nach Ansicht der Niedersächsischen Landesregierung nur eine Übergangsregelung sein. Auf Basis der Beratungen der Gesundheitsministerkonferenz muss bei den kommenden Bund-Länder-Gesprächen eine Verständigung über neue Maßstäbe getroffen werden. Die sollen sowohl die Impfquote als auch die Krankenhausbelegung stärker in den Blick nehmen. Wichtig ist, dass die Maßstäbe fundiert und verlässlich, aber auch für die Bürger verständlich und nachvollziehbar sind. Dabei muss berücksichtigt werden, dass Deutschland beim Impfen große Fortschritte gemacht hat: Derzeit ist eine Hälfte der Bevölkerung vollständig geimpft, die andere Hälfte allerdings ist noch nicht vollständig geimpft und damit nicht ausreichend gegen die Delta-Variante geschützt. Zudem müssen auch diejenigen geschützt werden, die sich nicht gegen Corona impfen lassen können, darunter Kinder und Personen mit Erkrankungen, die keine Impfung zulassen.  Über Impfgegner muss dann an anderer Stelle entschieden werden.

Impfen ist auch Solidarität

In Niedersachsen haben mit Stand heute 64 Prozent der Bürgerinnen und Bürger eine erste Impfung, 49 Prozent bereits die zweite Impfung erhalten. Die Landesregierung bittet alle Niedersachsen, sich vollständig impfen zu lassen. Es ist mittlerweile ausreichend Impfstoff vorhanden, so dass auch kurzfristig Termine vereinbart werden können. Wir befinden uns weiterhin in einem Wettlauf „Impfen gegen Delta-Variante“. Dazu kommen mobile Impfteams kommende Woche nach Laatzen und Lehrte (siehe gesonderetn SB-Bericht).

Die wesentlichen Veränderungen in der Corona-Verordnung betreffen zwei Punkte:

1. Verschärfung in kritischen Bereichen – Inzidenz an drei Tagen über 35

Bars, Discos und ähnliche Einrichtungen bekommen einen Sondertsatus beim Schließen – Foto: JPH/Symbolbild

Vor dem Hintergrund, dass insbesondere Diskotheken und Clubs sowie Einrichtungen zum Konsum von Shisha-Pfeifen vielerorts im Land zu einem Anstieg der Infektionen beigetragen und teilweise auch die Verfolgung von Infektionsketten erschwert haben, gelten in diesen Bereichen nun schärfere Maßgaben:

Inzidenz unter 10:

Es gilt nun unter 10 (bislang Inzidenz 10 bis 35) eine Maskenpflicht – auch beim Tanzen sowie ein Hygienekonzept mit einer Begrenzung der Kapazität auf 50 Prozent in Discos, Bars Clubs und ähnlichen Einrichtungen.

Inzidenz über 10:

Die Diskotheken, Clubs und Einrichtungen für den Konsum von Shisha-Pfeifen sind bei einer Inzidenz über 10 zu schließen

2. Mehr Handlungsspielraum für Landkreise und kreisfreie Städte

Die Landkreise und Kreisfreien Städte – im Fall von Sehnde die Regions Hannover – können im Rahmen ihrer zu erlassenen Allgemeinverfügung bei Überschreitung eines in der Landesverordnung festgelegten Inzidenzwertes Bereiche von schärferen Regeln ausnehmen, wenn die Überschreitung auf andere Bereiche zurückzuführen ist. So können per Allgemeinverfügung bestimmte Bereiche die Regeln für einen niedrigeren Inzidenzwert verfügt bekommen. Dies betrifft beispielsweise die Gastronomie, die Beherbergung, den Einzelhandel, den Amateursport und auch Kindertageseinrichtungen, weil dort durch regelmäßige Testungen das Infektionsgeschehen gut kontrolliert werden kann und Kindern möglichst weitere Einschränkungen erspart werden sollen.

Gottesdienste können ausgenommen werden – Foto: JPH

Ausnahmen können sich auch auf folgende Bereiche beziehen:

  • Religiöse Veranstaltungen
  • Regelungen für Sitzungen, Zusammenkünfte und Veranstaltungen
  • Veranstaltungen von Theatern, Opernhäusern, Konzerthäusern oder ähnlicher Einrichtungen sowie von Kinos
  • Großveranstaltungen
  • Stadtführungen und Führungen durch Natur und Landschaft
  • Gedenkstätten
  • Zoos, Tierparks und botanische Gärten
  • Museen, Freilichtmuseen, Ausstellungen, Galerien und ähnliche Einrichtungen
  • Freizeitparks
  • Touristische Schiffs- und Kutschfahrten und touristische Busfahrten
  • Schwimmbäder, Saunen, Thermen
  • Spielhallen, Spielbanken und Wettannahmestellen
  • Beherbergung
  • Gastronomie sowie Bars und ähnliche Einrichtungen; dabei sind allerdings für Diskotheken, Clubs und Shisha-Bars keine landkreisspezifischen Lockerungen möglich
  • Einzelhandel
  • Messen, gewerbliche Ausstellungen, Spezialmärkte, Jahrmärkte und ähnliche Veranstaltungen
  • Körpernahe Dienstleistungen
  • Prostitution
  • Kindertagespflege, private Kinderbetreuung, Jugendfreizeiten, Kindertageseinrichtungen
  • Außerschulische Bildung, Erwachsenen- und Weiterbildung und berufliche Bildung in Einrichtungen der beruflichen Aus-, Fort- und Weiterbildung einschließlich ihrer Beherbergungsstätten, Kantinen und Mensen
  • Freizeit- und Amateursport in geschlossenen Räumen
  • Freizeit- und Amateursport unter freiem Himmel
  • Spitzen- und Profisport
Bäder können offen bleiben – auch wegen des Schwimmunterrichts – Foto: JPH

Neben dem jetzt neuen zusätzlichen Handlungsspielraum der Kommunen bleibt der bisherige Handlungsrahmen weiterhin bestehen. Landkreise und Kreisfreie Städte können – wie bislang – auch aufgrund eines räumlich klar abgrenzbaren Bereichs der Infektionssteigerung insgesamt von einem Wechsel in die nächst höhere Stufe per Allgemeinverfügung absehen.

Ausnahmen von der neuen Regelung

Ausdrücklich ausgenommen vom erweiterten Handlungsrahmen sind die im ersten Teil der Verordnung genannten Allgemeinen Vorschriften. Diese sollen weiterhin im ganzen Land gelten – dazu gehören ausdrücklich die Kontaktbeschränkungen, da private Zusammenkünfte weiterhin allgemein zum Anstieg der Infektionen beitragen.

Die Änderungsverordnung gilt wie die gesamte Corona-Verordnung formal bis zum 3. September 2021. Die Landesregierung strebt allerdings auf Basis der bereits oben angeführten Verständigung von Bund und Ländern eine frühere Anpassung an.

Es gilt ausschließlich die Originalfassung der niedersächsischen Corona-Verordnung.

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