18 Jahre Bürgermeister – ein Rückblick mit Carl Jürgen Lehrke

Noch bis heute führt Bürgermeister Carl Jürgen Lehrke (CDU) die Geschicke der Stadt. Zum Ende seiner Amtszeit nach 18 Jahren in dieser Funktion, zunächst ehrenamtlich, ab 2005 hauptamtlich, bekam SN nun die Möglichkeit, mit ihm auf seine Arbeit für die Bürger und die Stadt zurückzublicken – und auf seine Beweggründe und seine Sichtweisen. Mit dem Wechsel am 1.11.2019 geht dann eine fast zwei Jahrzehnte andauernde Ära der Arbeit für die Stadt zu Ende, in der Lehrke nachweislich und erkennbar gestalterisch entscheidend mitgewirkt hat.

Carl Jürgen Lehrke verlässt die Kommadoposition im Rathaus – Foto: CDU Stadtverband Sehnde

SN – Herr Lehrke, vor 18 Jahren begann Ihre Arbeit für die Stadt Sehnde als ehrenamtlicher Bürgermeister. Wie war damals der Einstieg in das Amt?

Lehrke – Als ich ehrenamtlicher Bürgermeister wurde vor 18 Jahren war ich schon 15 Jahre im Rat. War dort drei Jahre Fraktionsvorsitzender und hatte eine ganze Menge politische Erfahrung sammeln können.  Es war eine Überraschung, dass die CDU mit der FDP die Mehrheit bekam. Und mit Dietrich Vollbrecht stand mir ja damals ein sehr erfahrener Stadtdirektor zur Seite, der sowohl mir wie auch Ursula von der Leyen sehr schnell das Laufen beigebracht hat. Von daher war der Übergang ins Amt  sehr einfach. Der Bürgermeister musste damals auch nur repräsentieren und Rats- und Verwaltungsausschusssitzungen leiten. Nebenbei hatte man dann auch noch seinen Beruf.

SN – Dann kam der Umstieg in die neue Struktur. Der Bürgermeister wurde hauptamtliche Kraft. Was hatte sich damit verändert?

Lehrke –  Der Einstieg zum  hauptamtlichen Bürgermeister war dann natürlich was ganz anderes, da  zu der Repräsentation dann auch noch die Verwaltungsleitung kam. Und ich habe wieder von Dietrich Vollbrecht profitiert, der sagte, nach drei Monaten Schonzeit geht’s dann an. Und dann hat er mich in die verschiedenen Themen eingeführt. In Gesprächen war ich in den letzten sechs Monaten dabei, war bei Amtsleiterrunden – als Zuhörer oder geduldeter Gast ohne Rederecht. Vollbrecht sagte mir, komm‘ setz Dich dahin und hör zu, damit Du mitkriegst, was hier läuft. So war das und das hat mir den Einstieg ganz einfach gemacht. Und auch die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Verwaltung, die mich immer unterstützt haben – vom Anfang bis zum Ende, da konnte ich mich drauf verlassen.

SN – Was machte den Unterschied zu 2001 im Amt aus?

Zahlreiche Bauprojekte wurden unter seiner Ägide realisiert – Foto: IS Sehnde/Archiv

Lehrke – Vorher hatte man einen Beruf und machte das nebenbei. Es wird immer verkannt, dass die repräsentativen Aufgaben gleich geblieben sind  und dann kam das dazu, was früher der Stadtdirektor gemacht hatte. Das war eine Herausforderung – und die hat auch Spaß gemacht. Als Hauptamtlicher konnte man den Betrieb daneben nicht mehr führen, das ging nicht.

SN – Blicken wir mal auf die gesamten 18 Jahre zurück. Was waren dieentscheidendsten Dinge und Ereignisse in Ihrer Amtszeit – Dinge, die man nicht vergisst?

Lehrke – Das ist das Thema der Kinderbetreuung. Wir haben Krippen eingeführt, die wir bis dahin nicht hatten. Wir haben das Hortangebot deutlich ausgeweitet, wir haben in der Kinderbetreuung nicht nur quantitativ viel gemacht, sondern auch qualitativ. Das Mittagessen wird jetzt fast flächendeckend angeboten, längere Betreuungszeiten, Früh- und Spätdienst, Qualifikation der Mitarbeiter und das Qualitätshandbuch eingeführt. Im schulischen Bereich die Einführung der Ganztagsschule der  KGS mit dem Bau der Mensa und der Sporthalle Feldstraße II. Damit zusammenhängend auch die Ganztagsbetreuung in den Grundschulen in Sehnde und in Rethmar. Wir haben die Schulen so fit gemacht, dass sich der Ganztagsbetrieb auch ordentlich organisieren lässt – mit den entsprechenden Baumaßnahen, die dazu gehörten. Dann der Bau der Kommunalen Entlastungsstraße. Dass wir es geschafft haben, wieder in größerem Stil Bau- und Gewerbegebiete anbieten zu können. Das waren schon schwierige Verhandlungen, aber auch lohnend. Wir haben die Feuerwehrhäuser Ilten undMüllingen-Wirringen gebaut – Rethmar und Bolzum erweitert. Auch da ist viel  passiert. Wir haben die EVS gegründet, da war ein dickes Brett zu bohren, wie man so schön sagt. Damit ging  der Einstieg in den Strom- und Gashandel einher und die Übernahme des Strom- und Gasnetzes, sodass wir nun alles hier vor Ort haben. Auch mit den positiven finanziellen Auswirkungen. Aber auch das Schöne mit der Sanierung des Waldbades und des Lehrschwimmbeckens. Um nur mal ein paar Dinge zu nennen. Und dann wurde die ILE-Börderegion gegründet, die Zusammenarbeit mit den Kommunen aus anderen Landkreisen. Die Flüchtlingssituation war und ist aktuell, die haben wir in Sehnde gut gemeistert. Ohne Turnhallenbelegung und Zelt- oder Containeraufbau.

Bürgermeister Carl Jürgen Lehrke (li.) übergab zahlreiche Schlüssel für Feuerwehrfahrzeuge – Foto. Stadtfeuerwehr Sehnde/Archiv

Und was mit meiner Amtszeit untrennbar verbunden ist, sind drei Daten: der 27. Juli 2013, der 5. März 2015 und der 22. Juni 2016. Der Hagel, der Brand der KGS und der Brand der Sporthalle. Dinge, die man nicht haben muss. Aber wenn sie da sind, muss man damit umgehen. Es sind alles Ereignisse, die Investitionen im siebenstelligen Bereich nach sich gezogen haben. Und die wir neben unserer normalen Arbeit bewältigt haben. Wobei, der Bau der Sporthalle liegt ja noch vor uns. Dass man dann mal Sanitäranlagensanierungen verschieben muss oder auch mal eine Sporthalle später saniert, die für Schulen nicht genutzt wird, – dass das eine andere Priorität bekommt, da wurden wir dazu gezwungen. Das hat sichkeiner ausgesucht. Im Großen und Ganzen bin ich froh, dass wir das jetzt auch auf der Reihe haben.

SN – Es gab sicher auch viel Unerfreuliches zu erledigen. Was war die schwerste Entscheidung in Ihren 18 Jahre als Stadtoberhaupt?

Lehrke – Manche Entwicklungen haben lange gedauert, ja . Aber wir haben das immer gut hingekriegt. Zurückbetrachtet gab es Turbulenzen mit der Erweiterung der Kläranlage, was auch dazu geführt hat, dass man personelle Konsequenzen ziehen musste. Da gab es keine Alternative. Das ist jedenfalls etwas, was mir schwer fällt. Und es hat auch nichts damit zu tun, wie gut oder schlecht man einen Menschen kennt. Aber wenn man Menschen, die sich engagiert haben, dann sagen muss, jetzt trennen sich unsere Wege, das ist nicht einfach. In der Probezeit ist das was anderes, aber wenn man lange Jahre einen Weg gemeinsam gegangen ist, das fällt einem schwer. Und schwer war immer, wenn es Streit gab statt Kompromisse zu suchen.

Bürgermeister Lehrke begrüßte immer viele Gäste beim Neujahrsempfang und der Sportlerehrung – Foto: JPH/Archiv

SN – Viel ist geschehen in Ihrer Amtszeit. Viel erreicht worden. Aber was hätten Sie gerne noch erledigt?

Lehrke – Die großen Projekte, die wir jetzt angeschoben haben. Der Bau der  Sporthallen, die Erweiterung der Grundschule Höver und der KGS, den Anfang des Baugebietes Rethmar und des Gewerbegebietes Ost. Das Feuerwehrhaus Haimar, das beschäftigt mich solange ich hauptamtlicher Bürgermeister bin.Aus den verschiedensten Gründen ist das bisher noch nichts geworden: Zuerst hatten wir andere Prioritäten, dann war es schwierig, ein Grundstück zu finden. Und die Lösung zu finden für die Feuerwehr hier in Sehnde, die Schwerpunktfeuerwehr. Das  sind beispielhaft einige Projekte, die hätte ich gerne noch zu Ende gebracht. Das ist aber egal wann man seinen Dienst aufgibt. Es wird immer Projekte geben, die man angefangen hat oder die kurz davor stehen und die noch nicht fertig sind. Mein erster Job war ja auch die Einweihung des Bürgerbüros. Da hatte ich nichts mit zu tun gehabt. Aber so viele, große und bedeutende Projekte wie derzeit, so viel gleichzeitig  haben wir nie gehabt. Kann ich mich nicht dran erinnern. Auch die Zukunft unseres Rathauses ist offen, da hätte ich mich gerne noch eingebracht.

SN – Der 31. ist in morgen. Dann wird das Amt übergeben. Was werden Sie vermissen – oder auch nicht?

Lehrke – Den letzten Termin habe ich noch am 30 gehabt. Aber ich habe meinen Beruf immer gerne gemacht, natürlich mal mehr, mal weniger. Vermissen werde ich sicherlich die vielen Kontakte zu den Menschen. Gerade im Rathaus. Ich sagte ja, ich habe mit allen Kollegen und Kolleginnen – natürlich mehr oder weniger eng und je nach Aufgabe – gerne und gut zusammengearbeitet. Ich habe immer gerne Gespräche geführt mit den Kollegen der ILE-Börderegion und in der Region. Da wird es zu dem einen oder der anderen immer noch Kontakte geben, aber dann eben auf einer anderen Basis. 2011 sind einige Kollegen ausgeschieden, seitdem gibt es einen Kreis, der sich trifft. Hier in Sehnde werde ich die Kontakte auch halten – aber zunächst möchte ich  Abstand gewinnen und dann in einer anderen Funktion.

Das Einschlagen des Zapfhahnes mit der Hand beim Oktoberfest beherrschte er perfekt – Foto: JPH/Archiv

SN – Wenn man so lange für die Stadtgearbeitet hat, hat man viel Erfahrung gesammelt. Haben Sie einen Ratschlag an die Sehnder?

Lehrke – Sehnde ist lebenswert. Seit 1986 habe ich hier im Rat Politik gemacht. Wir haben vieles hinbekommen, weil wir alle zusammengestanden haben: Politik, Verwaltung und Bürgerschaft. Auch über die Parteigrenzen hinweg. In mancher Verwaltungsausschusssitzung, die nicht öffentlich tagt, habe ich oft mal böse Blicke bekommen – mal von der CDU, mal von der SPD, mal von der Verwaltungsseite – manchmal auch von allen weil ich versucht habe, bei wichtigen Themen einen Kompromiss zu finden. Wobei alle Beteiligten  von der jeweiligen eigenen Vorstellung gewisse Abstriche haben machen müssen. Aber wenn das Ergebnis dann mit breiter Mehrheit getragen wird, gerade in kritischen Situationen, dann kann man sich auch darauf verlassen. Ob das die KES oder die KGS betraf, früher ein rotes Tuch für die CDU. Aber mit einer Stimmenthaltung hat’s der Rat einstimmig beschlossen. Weil wir gesagt haben, wir wollen den gymnasialen Zweig haben. Das haben wir nur bekommen, weil wir einer KGS zugestimmt haben. Und für die Entwicklung der Stadt mussten wir das Angebot haben. Deshalb hat der Rat gesagt, das machen wir. Ebenso die JVA. Die wollten viele Städte haben. Wir aber wurden gefragt, auf Grund der geographischen Lage zu Hannover und dem OLG Celle. Wir haben dann die JVA in Uelzen besucht, um uns dort zu informieren. Danach gab’s eine Bürgerversammlung. Wir haben uns dann im Rat nicht darüber zerfleischt, das hätte draußen noch mehr böses Blut gegeben. Das Ergebnis spricht aber doch heute in allen genannten Fällen für sich. Stimmenmehrheiten sind nicht allein ausschlaggebend. Diese Konsensfähigkeit sollte Sehnde unbedingt erhalten bleiben.

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