70 Jahre Grundgesetz und Reichspogromnacht: Gedenken im Sehnder Ratssaal
Zu einer Gedenkfeier hatte die Projektgruppe „Stolpersteine“ für Sonnabend, 9. November 2019, um 17 Uhr in den Ratssaal und das Foyer der Stadt Sehnde eingeladen. Unter dem Motto „Vergangenheit – Gegenwart – Zukunft, Ausgrenzung gestern und heute“ ist dabei der Reichspogromnacht wie auch dem 70. Jubiläum des Grundgesetzes gedacht worden. Zuvor hatte die Gruppe die ersten vier Artikel der Grundrechte in Form von Tafeln imn öffentlichen Bereich angebracht. Weitere Tafeln sollen folgen.
100 Gäste waren zur Gedenkfeier gekommen
Knapp 100 Gäste waren der Einladung der Stadt Sehnde und der Gruppe gefolgt und hatten sich im Ratssaal eingefunden. Dort wollten sie gemeinsam mit Schülern der Grundschule Breite Straße und den Konfirmanden der Gemeinde Bolzum/Wehmingen sowohl der Reichspogromnacht von 1938 wie auch der Verabschiedung des Grundgesetzes zu gedenken. Der Sehnder Bürgermeister Olaf Kruse begrüßte die Gäste, darunter die Landtagsabgeordnete Dr. Silke Lesemann, den ehemaligen Bürgermeister der Stadt, Carl Jürgen Lehrke, die Ehrenbürger der Stadt Raimund Wohlgemuth und Heinrich Heineke und zahlreiche Ratsmitglieder.
Grundgesetz schützt vor dem Staat
Kruse dankte der Gruppe „Stolpersteine“ für die Vorbereitung und Ausgestaltung der Feierstunde und wies darauf hin, dass man in nächster Zeit weitere Artikel des Grundgesetzes auf Tafeln in der Stadt finden werde. Damit soll auch öffentlich auf die Bedeutung dieser Grundrechte für jeden Bürger hingewiesen und auch der Schutz des Volkes vor dem Staat manifestiert werden. Denn die bürgerlichen Rechte wurden „in der Zeit des Nationalsozialismus auf das grausamste missachtet und mit Füßen getreten“, so Kruse. „Wir leben in einer Zeit, in der menschenfeindliche und –verachtende Parolen und Taten zunehmen. Es geht um nichts geringeres als die Grundlagen unserer Demokratie: Respekt und Gewaltfreiheit, Vielfalt und Toleranz. Es gilt damals wie heute: Wehret den Anfängen!“
Und am deutlichsten wird für die nachfolgenden Generationen die realen Vorgänge immer dann deutlich, wenn sie sich an einzelnen Beispielen darüber informieren. Deshalb hatten sich die Grundschüler der Schule Breite Straße mit dem Schicksal des Schülers von 1938, Hans-Georg Rose, auseinandergesetzt. Vor den Gästen trugen sie seinen Weg in des 14-jährigen Sehnders von der Schulausgrenzung bis hin zu seinem Tod am 2. Dezember 1942 vor. Mit zeitgenössischer Musik von Udo Lindenberg („Komm‘ zieh’n wir in den Frieden“).
Wie entsteht „Ausgrenzung“?
Von der evangelisch-lutherischen Landeskirche sprach Elvin Hülser, Geschäftsführer und Referent im Hauptvortrag des Abends über das Thema “ Vergangenheit – Gegenwart – Zukunft, Ausgrenzung gestern und heute“. Er hob ab auf die vielfältigen Möglichkeiten der Ausgrenzung – zum Bespiel durch Sprache – und wies darauf hin, dass diese Mittel als solche immer wiederkehren, natürlich mit den entsprechenden Adaptionen. Darauf basiere der Populismus, der das Volk als eher homogene Masse sehe und einen vermeintlichen Volkswillen formuliert – und auf den verschiedensten Wegen kommuniziert. „Und wer diesen Willen dann nicht erkennt oder den Weg nicht mitgeht, wird selbst ausgegrenzt“, so Hülser. Die vier Konfirmanden der Gemeinde Bolzum/Wehmingen trugen deshalb zu den heutigen Ausgrenzungen von Minderheiten aktuelle Beispiele vor.
Für die musikalische Umrahmung sorgten an diesem Abend Anne-Katrin Wolpert und Ines Walkling, bevor am Schluss dann der Bürgermeister die Gäste noch zum Ausklang mit Essen, Getränken und Gesprächen einlud.
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