Frühjahrsempfang in Sehnde mit verhaltenem Zuspruch
Der Frühjahrsempfang der Stadt Sehnde fand am Freitag, 26.04.2024, auf dem Gelände der KGS Sehnde statt. Aufgrund des kalten Wetters hatte der Bürgermeister den Ort des offiziellen Teils der Veranstaltung ins Forum der Schule verlegt. Dorthin waren rund 250 Personen der Einladung gefolgt.
Nicht ganz voll besetzt war das Forum, als Bürgermeister Olaf Kruse nach dem einleitenden Stück für drei Instrumente der Musikschule Ostkreis die Gäste begrüßte. Neben den Ehrenbürgern und der Trägerin der Ehrenmedaille der Stadt, Helga Akkermann, waren Vertreter der Bundes-, Landes- und Kommunalpolitik, Geschäftsleute und Firmenvertreter aller Unternehmensarten anwesend. Besonders begrüßt wurden auch die Vertreter der Justiz, Polizei und der Feuerwehr – sowie die Direktorin der KGS Sehnde als Hauherrin, Sandra Heidrich.
Unter dem Applaus der Anwesenden dankte er der örtlichen Polizei für ihren professionellen Einsatz anlässlich der kritischen Lage am 28. Februar dieses Jahres im Rathaus, die sie schnell und unblutig beenden konnten (SN berichtete).
Persönliche und verbale Kommunikation ist wichtig
In seiner Ansprache ging Kruse zunächst auf die immer seltener werdende persönliche Kommunikation durch Gespräche und die Ausbreitung des Internets mit seinen „Chats“ und anonymen Meinungsäußerungen bis zu Beleidigungen hin. Daraus, so folgerte er, zögen sich viele Menschen zurück. „Warum kritisieren Menschen Zustände, Projekte, Personen, Politik und Verwaltung in den sogenannten sozialen Medien anstatt nach den Hintergründen zu recherchieren, eine Mail zu schreiben oder das Handy auch einfach einmal zum Telefonieren zu nutzen, anzurufen und nachzufragen? So viele Fragen könnten sich schnell klären, so viele Themen könnten erläutert und so viele Aspekte diskutiert werden. Wir müssen nicht einer Meinung sein, aber vom Diskurs und der Findung von Mehrheiten lebt die Demokratie“, rief er auf, sich wieder mehr miteinander zu unterhalten. Bezug nahm er dabei auf die körperliche Attacke auf zwei Mitarbeiter der Stadt, die dann sogar noch im Internet gefeiert wurde. Inzwischen hat ein Gericht aber dazu ein Urteil gesprochen und sieht es deutlich anders.
„Hass ist keine Meinung“, so fuhr der Bürgermeister fort, und ging auf weitere Fehlentwicklungen des WWW ein – auch auf die Desinformation, die in seinem Schatten im Zuge des Ukraine-Krieges verbreitet wird und Demokratien destabilisieren soll. „Umso wichtiger: machen Sie am 9. Juni zur Europawahl von Ihrem Wahlrecht Gebrauch. Auch das Nichtwählen ist schädlich für unsere Demokratie und bringt den extremen Rändern Aufschwung“, rief er die Anwesenden auf.
Dank und Ausblick
In seinem Rückblick dankte er auch den Feuerwehrkräften der Stadt, die mit der ganzen Führungsspitze und mehreren Ortsbrandmeistern anwesende war. Sie waren nicht nur in über 300 Einsätzen für die Bürger unterwegs, sondern halfen auch Weihnachten während des Hochwassers. Maßnahmen gegen eine Wiederholung der Flut seien bereits in der konkreten Planung.
Auch über die vielen Baumaßnahmen in und um Sehnde, sowohl im Hoch- wie im Tiefbau, für Feuerwehr und Neue Mitte, sprach er und rief zur Gelassenheit auf. Gleiches galt für Eltern, die durch die Personalknappheit in den Krippen und Kitas betroffen sind. Zu all den Aufgaben kommt dann noch die Umsetzung der Maßnahmen gegen den Klimawandel, deren zeitliche Staffelung vom Land bis runter in die Kommunen immer ambitionierter würden. „Ich wünsche ich mir hier mehr Klarheit und eine Positionierung an der gefundenen Linie für das gemeinsame Ziel. Es nutzt niemanden, wenn wir uns an Schuldzuweisungen aufreiben“, wünschte er sich.
Gebietsreform 1974 – ein ungeliebtes Kind
Der Stadtratsvorsitzende Ralf Marotzke blickte dann in einem unterhaltsamen Vortrag auf die Entstehung der Stadt Sehnde zurück, die vor rund 50 Jahren eine Zwangsheirat von 15 Orten war. Einige der damals in die Stadt Sehnde „gepressten“ heutigen Ortsteilen haben sich immer noch nicht damit abgefunden. Aber auch schon damals waren die bestehenden „Strukturen und Größenordnungen der Gemeinden der technischen, sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung nicht gerecht“ geworden. Immerhin kamen die Teile aus vier Landkreisen – und sogar Mehrum sollte zeitweise zu Sehnde – und hatten eigentlich ganz andere Präferenzen: von der Selbständigkeit – Ilten, Bilm und Ahlten – bis hin zu Hannover (Höver) und Laatzen (Wassel und Müllingen) und einer Neugründung mit Algermissen und Lühnde (Bolzum, Wehmingen und Wirringen). Auch in Rethmar beabsichtigte man sich mit Evern, Haimar, Dolgen Klein Lobke und Gretenberg selbständig zu machen – wobei Dolgen Angst um seine Rücklagen von 30.000 Mark machte. Es kam anders und nach einer Punktebewertung gewann Sehnde deutlich vor Ilten und Ahlten.
Dann ging alles sehr schnell: Neues Rathaus und Umgestaltung Innenstadt, insgesamt inzwischen sieben Bürgermeister – seit 2005 sogar hauptamtlich mit Carl Jürgen Lehrke als erstem. Und sparen mussten alle. So gab es keine Sitzungsgelder mehr und in Klein Lobke hieß es: „Lediglich Ausgaben für ein Paar Würstchen und ein, höchstens zwei Biere nach den Ratssitzungen wurden aus dem Steuersäckel beglichen“. „Das Essen gibt es immer noch“, so schloss Marotzke, „nur, dass es inzwischen Sitzungsgelder gibt, dafür aber Würstchen und Bier zu bezahlen sind.“
Drei Ehrungen
Zum Abschluss ehrte der Bürgermeister dann och drei Personen aus Sehnde, die sich besonders durch Engagement im Ehrenamt hervorgetan hätten. Das waren Marie-Luise Nemetz vom Förderkreis Brasilien, Wilfried Brauns vom NABU Ortsverein Sehnde und Andreas Schriegel als Elternvertreter an Sehnder Schulen – letzterer in Abwesenheit.
Marie-Luise Nemetz ist es seit über 40 Jahren nicht egal, was am anderen Ende der Welt passiert. Sie ist Gründungsmitglied des Förderkreises Brasilien der Gemeinde St. Maria. Im Laufe der Jahre hat der Förderkreis über 285.000 Euro gesammelt und unterschiedliche Hilfs- und Entwicklungsprojekte, wie Tankwagen, Erwerb von Werkzeugen und Maschinen und Unterstützung von Kleinproduzenten damit gefördert.
Bereits seit 40 Jahren betreut, zählt und beringt Wilfried Brauns für den Nabu Schleiereulenbruten im Osten der Region. Das von Brauns betreute Gebiet geht von Anderten über Ahlen bis Lehrte-Mitte, Rötzum, Harber und fast alle Sehnder Ortsteile. Bei der Beringung der Eulen sind oftmals Kindergartengruppen und Schulklassen anwesend. Brauns ist es ein Anliegen, diesen Gruppen den Klima- und Artenschutz näher praktisch zu bringen. Zudem ist er Ehrenvorsitzender im Reitverein „Rittergut-Rethmar“, Mitglied der Ortsfeuerwehr und im Schützenverein Dolgen und seit 40 Jahren aktiver Handballschiedsrichter.
Andreas Schriegel hat insgesamt 16 Jahre Schule als Elternvertreter erlebt. Er hat über die Jahre verschiedene Ämter als Elternvertreter an der Astrid-Lindgren-Grundschule und an der Kooperativen Gesamtschule Sehnde ausgeübt. Er war auch acht Jahre der Vorsitzende des Stadtelternrates und auch im Regionselternrat war er sechs Jahre tätig, davon vier Jahre im erweiterten Vorstand.
Gute Gespräche beim geselligen Beisammensein
Nach dem offiziellen Teil lud Kruse die Gäste ein, bei Getränken und Verpflegung sich an der Mensa zu treffen und dort in die von ihm angeregte „persönliche, verbale Gesprächskultur“ zu pflegen.
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