Sehnde zahlt mehr – Region legt drauf: AWO Frauenberatung nun an zwei Tagen im Rathaus
Die AWO Frauenberatungsstelle in Burgdorf, Lehrte, Sehnde und Uetze ist ab sofort auch vor Ort im Sehnder Rathaus zu erreichen. Ermöglicht wird dies durch eine dauerhafte finanzielle Unterstützung durch die Region Hannover von 95 000 Euro jährlich für den Ostkreis und eine Erhöhung der Mittel der Stadt Sehnde auf 18 000 Euro. Dabei ist eine Steigerung von zwei Prozent jährlich laut Bürgermeister Olaf Kruse für Kostenerhöhungen geplant. Damit wird jetzt eine Beratung von gewaltbedrohten Frauen an zwei Werktagen direkt im Sehnder Rathaus ermöglicht. Das neue Angebot präsentierten am Mittwoch, 8.01.2020, der Bürgermeister Olaf Kruse, die AWO-Regionsvorsitzende Dr. Silke Lesemann, die AWO-Fachbereichsleiterin Ute Vesper, die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Jennifer Glandorf und die beiden zukünftigen Beraterinnen Franziska Albers und Brigitte Mende der Öffentlichkeit.
Die Beratung erfolgt in Sehnde
„Es ist für die betroffenen Frauen ein deutlich verbessertes Angebot“, so Kruse und Lesemann bei der Vorstellung. „Bisher mussten die Frauen immer – oft heimlich – nach Lehrte fahren. Nun können sie an zwei Tagen ins Rathaus kommen und sich beraten lassen.“ Mit dem neuen Jahr haben die Region und die an der Beratungsstelle in Burgdorf beteiligten Städte Sehnde, Lehrte, Burgdorf und Uetze aufgestockt. Und so eine Beratung in den jeweiligen Orten eingerichtet. So wird auch der zum eigentlichen Beratungsraum durch den öffentlichen Ort „Rathaus“ zusätzlich zur „Anonymität“ und Vertraulichkeit der Gespräche verbessert. Lesemann, die dieses Thema seit 2003 begleitet, findet es bedauerlich, dass man heutzutage eine solche Einrichtung benötigt. Aber gleichzeitig ist es gut, „wenn sich die betroffenen Frauen zur Beratung entschließen.“ Die ist nun noch einfacher erreichbar.
„Damit ist der Ostkreis der Region bestens aufgestellt“, betonte Fachbereichsleiterin Ute Vesper. „Seit 2003 hat die Beratung hier eine intensive Entwicklung genommen. Inzwischen ist mit drei Vollzeitstellen die Beratungszeit verfünffacht worden.“ Künftig sind also AWO Beraterin Franziska Albers oder stellvertretend Brigitte Mende an zwei Tagen pro Woche im Rathaus: Montags von 8.30 bis 12.30 Uhr und mittwochs von 8.30 bis 16.30 Uhr. Beraten wird im Raum 007, wo auch die Energie- und andere Beratungsangebote untergebracht sind. Wichtig ist dabei, dass die Tür an diesen Tagen immer offen ist, denn „man entschließt sich nur einmal, den ersten Schritt zu tun. Und der muss Erfolg haben“, so Mende am Mittwoch.
Wichtig ist der erste Schritt für die Betroffenen
Der Schritt, eine Beratungsstelle zu kontaktieren, sei mitunter eine große Überwindung für die Betroffenen – deshalb müsse das Angebot so niedrigschwellig wie möglich sein, fügte Vesper hinzu. Das bestätigten auch Mende und Albers aus ihrer täglichen Arbeit. „Die betroffenen Frauen nehmen oft ihren ganzen Mut zusammen, wenn sie sich Hilfe suchen. Erreichen sie beim ersten Mal niemanden, haben sie oft keine Kraft für einen zweiten Anlauf“, sagte Mende. Niedrigschwellig bedeute auch, dass das Angebot wohnortnah ist. „Die Fahrt von Sehnde nach Lehrte kann bereits eine zu große Hürde sein.“
„An uns können sich Frauen in jeder Krisensituation und bei Beratungsbedarf wenden“, betonte Albers, staatlich anerkannte Sozialarbeiterin. Die Beratung ist kostenlos, unabhängig, Opfer orientiert und vertraulich. Dabei werden auch im Bedarfsfall Kinder mit betrachtet. Eine Anbindung an die Sozialabteilung der Stadt ist möglich, genauso wie die Vermittlung einer Rechtsinformation im Rahmen der Beratung von Frauen in Scheidung in Lehrte. Die Anmeldung für ein Gespräch erfolgt telefonisch über die Beratungsstelle in Lehrte bei Brigitte Mende unter der Telefonnummer 05132/82 34 34 oder spontan bei Jennifer Glandorf unter der Telefonnummer 05138/707 224. Es geht aber auch anonym per Telefon in Lehrte.
Häusliche Gewalt kann jede und jeden Treffen
„Man kann nicht oft genug betonen, dass häusliche Gewalt jede Frau treffen kann – Frauen jeden Alters und aller sozialen Schichten“, sagte Dr. Lesemann. Der Ausbau des Beratungsangebotes in der Fläche sei daher wichtig, der Bedarf vorhanden. Die AWO Beratungsstelle Ostkreis – Lehrte, Burgdorf, Uetze und Sehne – hat im vergangenen Jahr rund 140 Frauen beraten, 40 von ihnen wurden nach einer Anzeige bei der Polizei an die Beratungsstelle verwiesen. Auch in diesem Jahr ist die Zahl der Fälle nicht gesunken – sie sei weiterhin konstant hoch, berichtete Mende.
Häusliche Gewalt ist eines der größten Gesundheitsrisiken für Frauen. Sie umfasst körperliche, sexualisierte und psychische Gewalt. Zu den neueren Phänomenen gehört laut Mende beispielsweise das digitale Stalking mit Hilfe von Spyware auf dem Handy. „So können Männer ihre Frauen noch effizienter überwachen – so wird Beziehung zu einem regelrechten Gefängnis“, sagte Mende. Beschimpfungen und Herabsetzungen seien gängige Mittel von gewalttätigen Männern, um das Selbstvertrauen ihrer Partnerinnen zu zerstören. „Als ich selbst noch beraten habe, kam eine Frau zu mir, die berichtete, wie sie vor ihrem Mann auf dem Boden kriechen musste – die große Angst, die Frauen wie diese vor ihren Partnern hatten, werde ich nie vergessen“, sagte Vesper. „Und wir gehen von einer hohen Dunkelziffer aus.“ Aufgabe der Beraterinnen sei es, die Frauen in ihrem Selbstvertrauen zu stärken, damit sie künftig ein gewaltfreies Leben führen können. Da häusliche Gewalt immer noch ein Tabuthema ist, braucht es auch eine gute Öffentlichkeitsarbeit. „Und die Netzwerk- und Präventionsarbeit kann nun ausgebaut werden“, freute sich Glandorf.
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